Die Wanzen von Tschernobyl

Cornelia Hesse-Honeggers "Bilder einer mutierenden Welt" im KUNSTHAUS

Ihr Interesse an Wanzen ist nur solange unerklärlich, bis man die von vielen Menschen als lästig empfundenen Insekten mit Cornelia Hesse-Honeggers Augen und in den erstaunlichen Zeichnungen und Aquarellen der Schweizerin gesehen hat. Die perfekten Abbildungen zeigen detailliert die Schönheit und Vielfalt der Natur im kleinsten Wesen. Und nicht vor den vielfach vergrößert dargestellten Wanzen wird einem im Kunsthaus angst und bange, sondern vor der Menschheit.

Wanzen sind seit 25 Jahren Studienobjekte der Wissenschaftszeichnerin. Seit Ende der 8oer-Jahre sammelte die renommierte Künstlerin sie in der Umgebung von Atomanlagen. In der 30-Meilen-Zone um Tschernobyl hat sie etwa Lederwanzen mit zu kleinen Flügeln gefunden, nahe der englischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield Marienkäfer mit verbeulten Flügeln, und beim AKW Gundremmingen, das gerade wieder in den Schlagzeilen war, eine Stinkwanze, deren Thoraxseite am Rand gewellt ist. Das ist nur eine Auswahl der Deformationen, die Hesse-Honegger dokumentiert hat und in der Reihe "Natur" des Kunsthauses zeigt. Kurze Texte machen darauf aufmerksam, 1enken den Blick immer wieder von den ansprechenden Werken auf den erschreckenden Hintergrund.

Wissenschaftler werfen der "Wissenskünstlerin", wie sich die 58-Jährige nennt, vor, ohne wissenschaftliche Methoden anzuwenden, einen kausalen Zusammenhang zwischen künstlicher Radioaktivität und Missbildungen herzustellen. Als Betrachter kann man seine eigenen Schlüsse ziehen, künstlerisch ist Hesse-Honegger zweifellos überzeugend.

UTE MAUCHE

Abendzeitung

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