15. Januar bis 16. Februar 2003
Cornelia Hesse-Honegger malt Insekten. Heteroptera, Wanzen, beschäftigen die schweizer Künstlerin seit Jahrzehnten. Akribisch hält sie die Schönheit der winzigen Tiere fest, überlebensgroß und detailgenau – ganz in der Tradition einer Maria Sybilla Merian, der Naturmalerin des frühen 18. Jahrhunderts.
Doch hinter den oft plakativen Bildern verbirgt sich mehr als bloße zoolgische Illustrationen, auch wenn die Perfektion der Aquarelle wissenschaftlichen Kriterien mühelos standhält. Schon die Wahl der Motive – Wanzen gelten gemeinhin als minderwertiges Getier – verrät den ganz eigenen Bezug der Künstlerin zur Natur. »Vor mehr als 25 Jahren begann ich, Wanzen zu suchen und zu malen. Ich malte sie, weil ich sie schön fand. Ihre Buntheit, die Strukturen und geometrischen Formen auf ihren Panzern hatten es mir angetan,« erinnert sich Hesse-Honegger.
Bald kommen zur vorwiegend ästhetischen Motivation erste ökologische Beobachtungen: »Mit der Zeit beschränkte ich mich auf einen Waldrand in der Nähe meines Wohnortes, um herauszufinden, welche Arten vorkamen und wie häufig sie waren. Nach einigen Jahren merkte ich, daß einige Arten verschwunden waren. Ich wurde unruhig.« Die Künstlerin wird zur Forscherin. Ihre Bilder dokumentieren das Verschwinden von Schönheit und Leben in einer winzigen Nische unserer Umwelt.
Und dann passiert das Reaktor-Unglück von Tschernobyl. Hesse-Honegger reist nach Schweden, in ein Gebiet hoher radioaktiver Belastung. Sie sucht mutierte Insekten, malt Wanzen mit merkwürdigen Veränderungen. Und kämpft immer wieder für eine wissenschaftliche Beachtung ihrer Arbeit. Seitdem untersucht sie Insekten in der Umgebung verschiedener Atomkraftwerke. Immer häufiger findet und malt sie Wanzen mit Veränderungen. Sind sie die Folge radioaktiver Belastung? Den streng naturwissenschaftlichen Beweis dafür bleibe sie schuldig – ein Vorwurf, den die Künstlerin, die mit ihrem Werk längst zur Umwelt-Aktivistin geworden ist, kennt: »Es gibt in unserer Zeit einen nahezu unüberwindlichen Gegensatz zwischen der heute herrschenden Wissenschaft und den Lebenserfahrungen, die der Mensch täglich macht.«
Cornelia Hesse-Honegger hält dagegen: »Wie können wir in einer durch eine rationale und daher immer relative Wahrnehmung geprägten Welt unsere Probleme überhaupt sehen, wenn wir in unserer wissenschaftlich orientierten Gesellschaft den Arbeiten der Künstler nicht die Aussagekraft zugestehen, unsere Realität zu beschreiben?«