23.Februar bis 07. Mai 2017
Für ihre Zeichnungen hat Jorinde Voigt ein vielschichtiges Vokabular aus Linien, Diagrammen, Zeichen und handschriftlichen Notizen entwickelt, mit dem sich abstrakte Phänomene wie Raum, Zeit, Erdrotation oder Geschwindigkeit darstellen lassen. Diese Aufzeichnungen bilden eine wissenschaftlich anmutende Matrix, in der Jorinde Voigt ihre eigenen Bewegungen (Egomotion) bei der Arbeit im Studio ebenso verortet wie die Einflüsse durch Kunst, Literatur, Musik, Naturwissenschaft oder Philosophie. Es geht ihr darum, „nonstop Fragen zu stellen“, um auch subjektive Assoziationen, Erfahrungen und Wahrnehmungen sowie den (unbewussten) Prozess des Erfassens so exakt wie möglich visuell darzustellen. So zeigt etwa die Arbeit 10 am to 7 pm (2016) einen schmalen menschlichen Körper, der von großen walfischähnlichen Formen, schlangenartigen Röhren und zarten roten Kreisen umgeben ist; ein massiver Stalaktit zielt auf das Herz der liegenden Figur. Dieses Protokoll eines Arbeitstages im Studio lässt sich auf verschiedene Weise interpretieren und macht zugleich deutlich, dass Jorinde Voigt in ihren Zeichnungen eine Parallelwelt mit ganz eigenen Regeln und Realitäten erzeugt.
Ihre in der Kunsthalle Nürnberg in einer konzentrierten Auswahl präsentierten Arbeiten zeichnen sich durch eine vielfältige Materialität aus, in der neben den klassischen Mitteln der Zeichnung wie Bleistift, Graphit, Tusche oder Pastellkreide auch Vogelfedern, Kupfer oder Blattgold zum Einsatz kommen. So auch in Jorinde Voigts Langzeitprojekt Song of the Earth, einem auf acht Kompositionen angelegten, monumentalen Zeichnungszyklus, der von Gustav Mahlers sinfonischem Liederzyklus Das Lied von der Erde (1908-09) inspiriert ist und gattungsübergreifend bildende Kunst und Musik, visuelle und akustische Erfahrungen, verbindet. Mit Spielanweisungen und Zeitnotationen versehen, dienen diese Zeichnungen auch als Partituren für die Aufführung durch zeitgenössische Musikensembles. Im Rahmen ihrer Ausstellung in der Kunsthalle Nürnberg wird Jorinde Voigt zwei Zyklen dieses groß angelegten Projektes vorstellen, The Farewell - A New Kind of Joy (2016) und das neue Werk Both Sides Now (2017).
Jorinde Voigt (*1977 in Frankfurt/Main, lebt in Berlin) studierte an der Universität der Künste in Berlin bei Christiane Möbus und Katharina Sieverding. Seit 2014 ist sie Professorin für Malerei und Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in München.