Das außergewöhnliche Werk des mazedonischen Malers Rodoljub Anastasov im KUNSTHAUS Nürnberg
Die Massenspsychologie interessiert ihn sehr, doch politisch will Rodoljub Anastasov seine Bilder auf keinen Fall gedeutet wissen. Die Frage danach verneint er heftig, vielleicht ein Reflex auf die Erfahrung von Malverbot und Inhaftierung, die der 67-Jährige, heute einer der renommiertesten Künstler Mazedoniens, im ehemaligen Jugoslawien machen musste. Doch wenn nicht politisch, so sind seine Bilder zumindest sehr aktuell und zeitkritisch. Sie thematisieren die Verlorenheit des Menschen, seine Anonymität in der Masse, die zugleich Schutz verspricht. Obwohl die Menschen winzig und gesichtslos sind, Schatten gleichen, zeugen die Werke dabei von einem zutiefst humanistischen Geist.
Rund 50 Arbeiten aus fast 30 Schaffensjahren des in Skopje lebenden Malers sind jetzt im KUNSTHAUS Nürnberg zu sehen. Die Schau präsentiert ein ganz eigenes, originales Werk, das eine surreal anmutende Welt inszeniert. »Mensch und Raum«, »Mensch und Zeit« heißen die beiden großen Zyklen. Durch das erhöhte Atelierfenster, durch Jalousien und Fensterkreuze, fällt der Blick nach draußen auf ameisenhaft kleine Menschen, die sich zwischen halbabstrakten, gläsernen Hochhauskuben bewegen oder einsam dem weißen Streifen auf einer Pflasterwüste folgen. Oft sind es nur schemenhafte Gestalten im diffusen Licht, doch formuliert Anastasov bei aller Kleinheit individuelle Haltungen aus, lässt die Körper Schatten werfen und sogar das Tempo ihres Ganges meint man zu erahnen. Ein Meister der Weite und des Details, der alles im örtlich Unbestimmbaren, im Vagen lässt.
Ein häufig wiederkehrender Hintergrund sind an Wellpappe erinnernde Längsstrukturen, die sich zu Pyramidenformen oder als Treppe ins Nirgendwo führen und den Werken einen fast collagehaften Charakter verleihen. Geschwindigkeit wird greifbar durch vorbeiwischende Züge und sich in ihrer Eile auflösende Laufende.
Anastasovs Bilder wirken wie Momentaufnahmen aus einem surrealen Film, eingefärbt in diffuse Pastelltöne, die die Szenen in magisches Licht tauchen. Seine ungegenständlichen und noch nicht von Menschen bevölkerten Werke konzentrieren sich ganz auf das Wechselspiel von Licht und Schatten, auf Raumgrenzen, Jalousien ähnlich, durch die das Außen nur schemenhaft dringt. »Auf der Suche nach dem verlorenen Raum« heißt dieser Zyklus aus den frühen 70er Jahren - subtil-assoziative Bilder, die sich durchaus als Metapher auf die Unfreiheit früherer Jahre, auf das Eingesperrtsein lesen lassen. Politisch kann auch das fast Abstrakte sein.
Dass diese sehenswerte Retrospektive auf das Werk eines außergewöhnlichen Künstlers aus Skopje zum 20-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft Nürnberg-Skopje eingerichtet wurde, ist laut Kurator Hans-Peter Miksch Zufall. Die eigentliche Sonderschau zum Jubiläum findet bis 30. Juni in der Ehrenhalle des Rathauses im Wolff'schen Bau statt. Dort stellen 13 Künstler aus der mazedonischen Künstlerkolonie Kitka aus - plus fünf ehemalige Kitka-Gäste. Tragisch dabei: Die Kolonie gibt es nicht mehr. Sie wurde aufgelöst, nachdem ihr Hüttenwirt im Bürgerkrieg erschossen wurde.
Von: REGINA URBAN, Quelle: Nürnberger Nachrichten