Zwei Fotoserien von Peter Goin
»Humanature« und »Nuclear Landscapes« heißen die beiden Fotoserien des Amerikaners Peter Goin, die das KUNSTHAUS Nürnberg im Künstlerhaus zeigt, und zwar erstmalig vereinigt zu einem doppelten und doppelt kritischen Blick auf den Menschen als Beherrscher, Gestalter und Zerstörer der Natur. »Humanature« dokumentiert die im positiven Sinne menschliche Seite unseres Umgangs mit der Natur, wie der Mensch sie zwar prägt und ausnutzt zu seinen Zwecken, wie er sie auch formt nach künstlerischen, also humanen Prinzipien, wie er ihr bei aller Ausbeutung und Einengung doch letztlich ihre Würde lässt, ihr an manchen Stellen auch den zuvor in Jahrzehnten oder Jahrhunderten abgezwungenen Lebensraum zurückerobert.
Peter Goin, Professor für künstlerische Fotografie an der Universität von Nevada in Reno, nennt seine Arbeiten soziale Landschaftsfotografie, was sagen will, dass im Bild der vom Menschen geprägten, gehegten oder geschundenen Natur sich die Gesellschaft und ihr jeweiliger Zustand spiegeln. So ist denn jedem der hundert hier gezeigten Fotos vom Künstler ein Begleittext beigegeben worden, der beschreibt, wie und wodurch die jeweils abgebildete Landschaft in diesen Zustand versetzt wurde. Bilder und Begleittexte wollen möglichst wertneutral dokumentieren, vermeiden jedes anklägerische Pathos; aber unausgesprochen wird doch deutlich, an welche auch für ihn selbst bedrohliche Grenze der vermeintliche Herr der Natur hier gekommen ist, und das gilt ja nicht nur für die Vereinigten Staaten, die Goin hier zunächst im Blick hat. Der ästhetische Glanz mancher Fotos kann über den bitteren Grundton in dieser Dokumentation nicht hinwegtäuschen.
Doch hat man es in dieser Serie mit einer trotz aller Eingriffe, Begrenzungen und Verletzungen noch sehr lebendigen Natur zu tun, so führt uns »Nuklear Landscapes« in eine tote, verstrahlte, jedes in sie eindringende Leben bedrohende Welt. Goin hat auf den Bikini-Atolls und in den Wüstengebieten Nevadas, in denen seit 1945 Versuche mit Atombomben stattgefunden haben, die Bunker, Attrappenbauten, die Krater und andere Hinterlassenschaften jener mörderischen Unternehmungen fotografiert. Auch dort, wo die Wunden im Boden der sonst keineswegs so toten Wüste sich schon längst wieder geschlossen haben und die Narben kaum noch sichtbar sind, wo die Wüste für den oberflächlichen Blick ihre ursprüngliche Schönheit zurückgewonnen zu haben scheint, auch dort sieht unser wissender Blick den Tod in der Landschaft mit. Die Reste des Wüstenlebens, das es früher dort gab und zum Teil wieder gibt, sind vergiftendes Leben, gefährlich und letztlich tödlich für jeden, der dem sich nähern will. Die Landschaft ist zu einem Paria, einem Unberührbaren geworden.
Text: Walter Fenn, Quelle: Bayerische Staatszeitung München