Reise bis zur Endstation Aldi

NÜRNBERG - Gut ein halbes Jahrhundert liegt zwischen dem 1. Preisträger und der 3. Preisträgerin. Herbert Bessel, 1921 geboren und längst ein Klassiker unter Frankens Abstrakten, und die 28-jährige Kunststudentin Katja von Lübtow markieren sozusagen die Alterspole der generationenübergreifenden Spannbreite des »Kunstpreises der Nürnberger Nachrichten«.

Maler der eine, Bildhauerin die andere, liegen sie in ihrer künstlerischen Formensprache dabei gar nicht so weit voneinander entfernt. Beide spüren der gespannten Dynamik abstrahierter Formen nach, Bessel in radikal auf Farbe, Fläche und Linie reduzierten Gemälden, von Lübtow in fragil aufgebrochenen Stahlskulpturen, die dabei aber immer noch auf die Ursprungsfigur verweisen.

Zum neunten Mal wurde jetzt der renommierte NN Kunstpreis vergeben, der Bessel mit 15 000, von Lübtow mit 5000 Mark belohnte. Die begleitende, im Nürnberger KUNSTHAUS eingerichtete Ausstellung mit rund 100 Arbeiten von 54 Künstlerinnen und Künstlern führt die große Vielfalt der regionalen Kunstszene vor Augen, zeigt Werke der etablierten Kunstschaffenden ebenso wie Arbeiten noch weniger bekannter junger Talente.

Doch auch mancher, den man bestens kennt, offenbart plötzlich eine ganz neue Handschrift: Gerhard Rießbeck, sonst der Unendlichkeit ferner Landschaften auf der Spur, malt jetzt cartoonesk. Sein grimmiger »Kasper«, der mit dem Colt über den Bildrand hinausschießt, ist ein gelungenes Schelmenstück. Eine Entdeckung ist auch Mathias Otto. Wenn das Treibhaus am Horizont glüht, gewinnt die Nachtansicht von Poppenreuth mystische Dimensionen. Und seine »Endstation Aldi« hat das Zeug zum Krimischauplatz. Ein Höhepunkt der bilderreichen Schau ist das Diptychon »Im Augenblick« von Chris Bruder, die für ihr buchstäblich unter die Haut gehendes Doppelporträt eines die Verletzlichkeit der Seele offenbarenden Antlitzes mit dem Sonderpeis (15 000 Mark) des NN-Verlegers Bruno Schnell gewürdigt wurde. Im gänzlichen Kontrast dazu stehen die lodernden Farblandschaften von Rainer Funk, der seine tropischen Reiseeindrücke zum radikal reduzierten Farberlebnis macht und dafür von der Jury den 2. Preis
(10 000 Mark) erhielt.

Etwas kleiner, aber nicht minder fein als die Bildergalerie, ist die Auswahl an Skulpturen und Objekten. Achim Weinberg zerschneidet Silikonschläuche zu wabenartigen, transparenten Gewächsen oder wickelt sie zur kompakten blutroten Knospe auf. Aus geschichteten Spanplatten und aus Beton dagegen sind die maritimen Kunststücke von Franz U. Janetzko, dessen »Dampfer«- und »U-Boot«-Skulpturen so witzig wie formal überzeugend sind.

Viele weitere Werke ergänzen die Kunstpreis-Schau, die zugleich eine gelungene Premiere im neuen Domizil ist. Das ins Künstlerhaus umgezogene KUNSTHAUS wird auch künftig Ausstellungsort sein, wobei 2002 allerdings gleich eine Ausnahme folgt: Weil Erlangen dann sein 1000-jähriges Gründungsdatum feiert, wandert die Schau in die Nachbarstadt aus. Dafür gibt's im KUNSTHAUS eine Sonderpräsentation anlässlich 10 Jahre »Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten« mit Arbeiten aller bisherigen Preisträger.

Text: REGINA URBAN, Quelle:Nürnberger Nachrichten

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