Menschen, Masken und Farbmagie

Spannende Vielfalt: Im neu eingerichteten KUNSTHAUS wird der »Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten« vergeben

Die Ausstellung zum »Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten« hat ein neues Domizil gefunden. Eins, das selbst noch im neuen Glanz strahlt und dessen Programm durch die renommierte Schau eine höchst sinnige Ergänzung findet. Gastgeber ist das Anfang 2001 ins Künstlerhaus am Königstor umgezogene KUNSTHAUS. Hier sollen regelmäßig auch die städtischen Museen ein Forum finden, um Werke aus ihrer Sammlung, der in die Depots verbannten »Fränkischen Galerie«, präsentieren zu können.

Zusammen mit der NN-Kunstpreisschau bietet sich damit an einem Ort die Möglichkeit, die Klassiker der fränkischen Moderne mit dem aktuellen Kunstschaffen der Region zu vergleichen.

Dass die Generation der Söhne, Töchter und Enkel den Vergleich mit den Müttern und Vätern nicht zu scheuen braucht, hat der 1993 von NN-Verleger Bruno Schnell initiierte Wettbewerb immer wieder bewiesen. Mancher von ihnen gehört längst selbst zu den »Klassikern«, so wie Herbert Bessel. Die Auszeichnung des bald 80-Jährigen mit dem ersten Preis ist auch als hochverdiente Würdigung eines konsequent der Abstraktion verpflichteten Künstlerlebens anzusehen. Drei Werke in der Schau belegen, wie Bessel mit wenigen kräftigen Pinselstrichen und einer sensiblen Farbwahl Bildwelten erschafft, in denen stille Poesie und kraftvolle Dynamik gleichermaßen aufgehoben sind.

Abstrakte Komponisten
Wie Teile eines gemeinsamen Ensembles korrespondieren diese Arbeiten mit Hermann Frauenknechts stählernen Kugelsegmenten sowie den in vielfache geometrische Formen unterteilten Gemälden von Oskar E. Goller und Horst Georg Heidolph. Es ist das Kabinett der abstrakten Komponisten, und so wie hier findet man überall kluge Kunstpaarungen.

Verbindendes Element etwa zwischen Achim Weinbergs organischen Silikonschlauch-Objekten, Hanns Herpichs rotrosa oszillierenden Webbildern und Walter Zimmermanns fragilen Strichzeichnungen ist die Linie. Pures Farberlebnis sind die in ihrer Vielfarbigkeit gleichwohl monochromen Bildtafeln von Wolfgang G. Bühler und vor allem die magisch leuchtenden, radikal reduzierten Tropenlandschaften des zweiten Preisträgers Rainer Funk.

In anderen Ausstellungsbereichen dominieren Menschenbilder, die spannende Facetten seelischer Befindlichkeiten vor Augen führen. Schon der Blick in Barbara Flesch-Haensells puppenhafte Kindergesichter mit dem ernsten, fixierenden Ausdruck bannt. Noch mehr tun das Oskar Kollers farbstrahlende, auf flächige Formen reduzierte Indienbilder, in denen der Maler seit seiner letzten Südostasien-Reise das Licht und die bunte Lebendigkeit des fernen Subkontinents feiert.

In die dunklen Gegenden der Seele entführen dagegen Béla Faragós diffus verwischte Momentaufnahmen menschlicher Begegnungen. Selbst den Lachenden haftet da etwas Schmerzhaftes, Gewalttätiges an. Explizit auf die Verletzlichkeit der Seele verweist die mit dem Sonderpreis des NN-Verlegers ausgezeichnete gebürtige Fürtherin Chris Bruder. Ihr Diptychon - ein fast identisches Doppelporträt - konzentriert in einem einzigen Gesicht Monstrosität, Sensibiliät, kindliches Staunen, Entsetzen und stumme Resignation. Ein Blick aus dem Abgrund, vergleichbar mit den Leidensgestalten eines Francis Bacon.

Mit fast fotografischem Blick nähert sich dagegen Gudrun Graf in ihrer Porträtserie »Moslem, Jude, Christ« dem Menschen an; ebenso Andreas Maul, der einen verträumt dreinblickenden jungen Mann im modischen adidas-Outfit auf vertikalen Bildtafeln mit der Gegenwelt der Natur konfrontiert. Nordpolexpeditions-Maler Gerhard Rießbeck spürt neuerdings nicht mehr nur der Magie unendlicher Landschaften nach, sondern auch der närrischen Psychologie des Menschen. Sein grimmiger »Kasper« schießt deutlich übers Bild hinaus.

Bei dem gebürtigen Angolaner Musole Foster Petulu sind die Gesichter Masken, eingeprägt in die Schwingen eines aus vielfachen kunstvollen Ornamentfeldern bestehenden Fabelwesens - wie eine zum Flug abhebende Traumgestalt. Das Ziel könnten die sanft fließenden, in ein unwirklich diffuses Licht getauchten Sandmeere Walter Försters sein. Christoph Gerling hält abstrahierte Raum- und Landschaftsstrukturen auf einer 18-teiligen Zeittafel fest, die sich wie ein Reisetagebuch der Stimmungen lesen lässt. Auf schöne Weise korrespondieren die farbigen, vielfach verwobenen Liniengeflechte Gabriela Dauerers und das konstruktivistische Metallobjekt von Selcuk Dizlek miteinander, das trotz seiner kantigen Verstrebungen von einer schmetterlingshaften Leichtigkeit ist.

U-Boot auf Betonkurs
Tobias Gereon Gerstner hat für seine tonnenschwere Tonskulptur eines auf eine Chaiselongue platzierten Paares einen exklusiven Platz auf dem Podest gefunden. An den Wänden rechts und ein aus Spanplatten gesägter Dampfer und ein U-Boot, das gerade aus seinem hohen Betonsockel aufzutauchen scheint. Die maritimen Kunststücke stammen von Franz U. Janetzko und sind nicht nur formal absolut über zeugend, sondern auch charmant-witzig. Mathias Otto verwandelt die vertraute Welt von Knoblauchsland und Supermarkt-Parkplatz in magisch illuminierte Nachtlandschaften.

Im langen Gang des KUNSTHAUSes bietet sich noch einmal ein komprimierter Eindruck von der Vielfalt des zeitgenössischen regionalen Kunstschaffens. Von Gisela Luschner-Schillers Blick aufs rote Dächermeer über Glen Forsters »Frauenkirche«, die sich im vielschichtig-vibrierenden Farbauftrag fast aufzulösen scheint, bis zu Peter Königs Endzeitstimmung vermittelnder, monumentaler Bleistiftzeichnung »Wo bist du Adam« reicht das Spektrum.

Auch Katja von Lübtows über zwei Meter aufragender Stahlskulptur »Oshun II« begegnet man hier. Die halbabstrakte offene Figur besticht durch eine ungemeine Spannung und Dynamik, fragil aufgefächert scheint sie sich kraftvoll hinauf zu winden, um mit dem Dolch in der erhobenen Hand wieder senkrecht nach unten zu weisen, den Kreis zu schließen. Solche gespannte Balance spürbar zu machen, gelingt der 28-jährigen Künstlerin auch in der wesentlich kleineren Skulptur »Im Gleichgewicht«. Für beide Arbeiten erhielt von Lübtow den dritten Preis, der damit eine junge Bildhauerin mit einer bereits ganz eigenständigen Handschrift würdigt.

Text: REGINA URBAN, Quelle:Nürnberger Nachrichten

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