Fester Blick auf Hinterteile und Hintersinn

»Prechtls Welttheater«, die Schau zum 75., ist als gelungenes Konzentrat angekommen

Die Skizzen einer Niederlage sind auch zu sehen: Nein, nicht die Entwürfe zum Rathaussaal, sondern Metaphern zu Dürers Apokalypse, zum Simplicissimus und zur Schedel´schen Weltchronik. Zeichnungen für Rathaus-Gemälde, vom damaligen Baureferenten 1986 in Auftrag gegeben und vom Oberbürgermeister anschließend gestoppt. Aber eigentlich geht es bei »Prechtl´s Welttheater« im speziellen Fall nicht um Tragödien, sondern Triumphe. Und dafür ist Raum in der kleinsten Hülle. Nach dem aufwendigen Start im Deutschen Historischen Museum Berlin ist die Schau zum 75. Geburtstag des Nürnberger Malers und Zeichners Michael Mathias Prechtl im »ärmsten deutschen Museum« angekomen.

Matthias Mende, Kurator der Schau, meint damit die städtischen Museen, die erstmals als Untermieter im Nürnberger Künstlerhaus auftauchen. Für den strahlenden Franz Sonnenberger, Generaldirektor zwischen Fembohaus und Doku-Zentrum, der ersehnte »Paukenschlag« seiner Vision von der fränkischen Galerie. Die erhofften 20 000 Besucher sollen den Politikern im Verteilungskampf ums knappe Geld eine »Abstimmung mit den Füßen für eine fränkische Galerie« bescheren.

Mende, dem mit 400 Quadratmetern im KUNSTHAUS etwa die Häfte der Berliner Größe zur Verfügung stand füllte die erste Nürnberger Prechtl-Großschau seit 20 Jahren mit 178 Arbeiten und hat in den fünf Räumen das pralle Kunststück eines Kondensats geschaffen: Er bewies Mut zur Lücke. Die sattsam bekannten Plakate wurden ausgeklammert sowie die Buchillustrationen, die zuletzt 1996 im »Germanischen« zu sehen waren.

Hinter den Selbstportraits am Eingang, wo »Der Denkmaler bei der Arbeit« ist, dann links und rechts gleich die Schlüsselbilderwerkstätten als Überraschungsfundgruben. Die 24-teilige Nürnberg-Frühgeschichte, die einsetzt mit einer 60 Jahre alten Hummeln-Zeichnung eines frühreifen Maltalents, das damit erstaunlich in Richtung der neuesten »Reinicke Fuchs«-Blätter weist. Dazu die Reformationsgedächtniskirche, die aus dem Kubismusdschungel des Stadtparks leuchtet (1957) und das Schlüsselbild »Dr. Wilhelm Schwemmer wird gemalt«, wo Picasso, der Säulenheilige, noch im Hintergrund hängt, aber die neue Sachlichkeit schon eingeleitet ist.

Gesinnungspartner Bert Brecht thront nicht nur über der »Klassikerlandschaft« des Vielschichtarbeiters Prechtls, der höhnende George Grosz ist auch nicht weit ­ und natürlich Albrecht Dürer. Die »Dürer-Suite«, großformatige Rötelzeichnungen, belegen, dass der gewitzte Bildautor, der so ungern in die Dürer-Stapfen gestopft werden möchte, intuitiv des Meisters Sexualschwächen entblößte. Aber auch Prechtl hatte immer Sinn für die Kehrseiten des Lebens ­ für Hinterteile und Hintersinn, sowieso. Zwischen dem Anspielungsreichtum des Portraitisten (»Kesten im Café«) und des profunden Polit-Poeten findet sich auch die eine oder andere Pointen-Untiefe, wie »Leonardos Rossäpfel« als spaghettidünner Konter aufs italienische Schlachtenvorbild.

»Man sollte nicht den Fehler machen, an dieser Ausstellung den Spezialisten festzumachen«, warnt Prechtl. »Ideal«, sagt er, »wäre eine umfassende Ausstellung«. 150 Keramiken und viele Fotografien hätte er neben anderem in petto. Muss ja nicht immer das Nürnberg-Intervall von 20 Jahren gelten.

Text: Andreas Raldmaier, Quelle: Abendzeitung Nürnberg

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