Der BBK Nürnberg präsentiert im KUNSTHAUS ein spannendes Spektrum aktueller »textiler Tendenzen«
Wer in dieser Schau klassische Gobelins oder zeitgenössische Webkunst erwartet, wird enttäuscht. »Vier textile Tendenzen« stellt die Schau des Nürnberger Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK) im KUNSTHAUS vor. Und obwohl textile Materialien und Strukturen der Ausgangspunkt sind, öffnet sich ein überraschend weites Spektrum, das von der in Schwarzlicht getauchten Rauminstallation bis zu Konfettifotos reicht.
Noch am ehesten pure Textilkunst ist die »Rauten«-Serie von Angelika Haberbosch: Doppelgewebsminiaturen aus Seide, die 43 Variationen einer einzigen geometrischen Form durchspielen. Faszinierend ist dabei nicht nur die von Haberbosch gefundene Mustervielfalt, sondern auch die extrem feine Handarbeit.
Mit dem kulturgeschichtlichen Bedeutungsgehalt von Streifenstoffen setzt sich Birgit Bossert auseinander. Eine unerwartet spannende Materie, wie der Franzose Michel Pastoureau in dem Buch »Des Teufels Tuch« dargelegt hat. Schwerpunkt der von Pastoureau inspirierten Installation sind über zwei Stellwände drapierte Streifenstoffe als symbolhafte Zeugnisse eines zeitlos ambivalent wirkenden Kleidermusters: den Mantel der Karmelitermönche, der sogar den Papst provozierte, und den Stoff der Haute Couture, der zugleich an Sträflingskleidung erinnert.
Symbolzeichen ist auch Rita Kriege auf der Spur, die dabei allerdings ins Innere der Gewebestruktur vordringt, zu den Schlaufen und Schlingen, die sie mit Leuchtschnüren nachbildet, zum Unendlichkeitszeichen verflicht oder zur Doppelhelix verwebt. In dem nur von Schwarzlicht beleuchteten Raum scheinen die Gebilde zu schweben, ein aufgespanntes Seidentuch wird zur betörenden Lichtprojektion und drei lange Schnüre dringen wie ein leuchtender Horizont in die Wand ein. Minimalistische Lichtmagie.
Materialkünstler mit textilen Wurzeln ist der aus Sri Lanka stammende Ranil Ranasinghe. Aus einfachsten Materialien - Kokosfasern, Rupfen, Metallplatten, eingefärbte Gaze, Draht, Baumwolle - schafft er Bildobjekte von hohem Energiegehalt und meditativer Kraft. Die deutsche »Leitkultur«-Diskussion kommentiert der Singhalese mit einer bissig-treffenden Arbeit: Neun gebrauchte Teenetze markieren die »Einheit der Weltkulturen«. Darunter klebt ein brauner Kaffeefilter, darauf steht »Leidkultur«.
Mit den »textilen Tendenzen« reiht sich der BBK Nürnberg ein in die aktuelle »zeitgleich«-Aktion des Bundesverbandes, die bis Mitte Juni mit 150 Ausstellungen in ganz Deutschland Werbung für die zeitgenössische Kunst und den BBK machen will. So ansprechend, wie sich die Nürnberger Schau präsentiert, dürfte der Werbeeffekt nicht ausbleiben.
Text: Regina Urban, Quelle: Nürnberger Nachrichten