Eine Bilderwelt von eigener Poesie

Das Nürnberger KUNSTHAUS zeigt Arbeiten aus Gugging

Um ihre Anerkennung als Künstler müssen die »Gugginger« schon lange nicht mehr ringen. Ihre Werke hängen in den großen Museen der Welt, sie wurden mit der höchsten österreichischen Auszeichnung für Bildende Kunst, dem Oskar-Kokoschka-Preis, ausgezeichnet und gelten als die hervorragendsten Vertreter jener rohen, unverbildeten, freien Kunst, für die Jean Dubuffet 1945 den Begriff »Art brut« prägte.

Als der Arzt Leo Navratil an der Landesheilanstalt für Psychiatrie Gugging bei Wien in den 50er Jahren begann, seine Patienten zur künstlerischen Gestaltung aufzufordern, konnte er allerdings nicht ahnen, dass er damit den Grundstein für ein Kunstzentrum legen würde, das den einstmals therapeutischen Ansatz bald berwinden sollte. Noch unter Navratils Leitung wurde 1981 das »Haus der Künstler« in Gugging eingerichtet, in dem die Bewohner seitdem frei von allen Einschränkungen der Anstaltsverwahrung leben und arbeiten können.

Arbeiten der derzeit acht in Gugging beheimateten Maler und Zeichner sind jetzt im Nürnberger KUNSTHAUS zu sehen. Spontan faszinierend bei dieser Schau ist die Freiheit des eigenen Stils, den diese Künstler - unbeeinflusst von allen Kunstformen und Trends - für sich entwickelt haben. Auffällig ist auch die Flächigkeit der Malweise, der fast durchgängige Verzicht auf perspektivische Darstellung.

Bei Arnold Schmidt entstehen aus schwungvoll aufgetragenen kreisförmigen Strichen Figuren, deren Gestalt nur angedeutet erscheint und die doch ungemein lebensecht wirken. Oswald Tschirtner erzielt mit sparsamen schwarzen Tuschestrichen auf weißer Leinwand oder auf Papier eine ähnliche Wirkung. Seine Kopffüßler mit in die Länge gezogenen Extremitäten oder seine nur als umrissene Profile dargestellten Köpfe, gleichen sanftironischen Skizzenblättern aus dem Alltagsleben.

Im Gegensatz zu Tschirtners virtuos reduzierter Strichführung sind die fast ornamental anmutenden Tuschezeichnungen Johann Garbers von einer berbordenden Vielzahl figürlicher Motive bevölkert, deren Zwischenräume von Strichen und Kreisen aufgefüllt werden. Kirchen, undurchdringliche Dschungelwelten und Stadtansichten - darunter auch eine von Nürnberg - sind seine Themen. Von geradezu poetischer Ausdruckskraft sind die intimen Bild/Textblätter von Johann Korec, die illustrierten Tagebucheintragungen gleichen.

Der seit dem Tod Johann Hausers 1996 wohl prominenteste lebende »Gugginger« ist August Walla. Seine kleineren Farbarbeiten erinnern an flächenhafte, ornamentale Ikonenbildnisse, die voller rätselhafter Chiffren stecken. Wallas großformatige Acrylbilder mit Tiergestalten und maskenhaften Gesichtern dagegen ähneln dem Primitivismus der Fauvisten oder der Neuen Wilden, doch beinhalten sie ber die plakative Farbigkeit hinaus immer auch eine engagierte, persönliche Botschaft.

Mit den »Guggingern« hat das KUNSTHAUS eine ungewöhnliche, spannende und kontrastreiche Schau nach Nürnberg geholt - fraglos ein Ausstellungs-Highlight im ersten Jahresprogramm am neuen Ort im Künstlerhaus.

Text: REGINA URBAN, Quelle: Nürnberger Nachrichten

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