Die Fotografin Magdalena Abele sorgt auf leise Weise für spannende Irritationen
NÜRNBERG - „Mirador“, Aussichtspunkt, heißt die Fotoschau von Magdalena Abele, die im Kopfbau des Künstlerhauses auf eine Weltreise zu spektakulären Landschaften führt, zu tausendfach fotografierten Touristenattraktionen. Doch in Abeles Bildern steckt ein Irritationsfaktor, dem man erst bei genauem Hinschauen auf die Schliche kommt.
Der in den Atlantik hinausragende Cabo da Roca bei Lissabon, ein weites, von kargen Felsen gerahmtes Flussbett auf Mallorca, die bizarre Erosionslandschaft am Zabriskie Point, der 1000 Meter aufragende Monolith „El Capitan“ im Yosemite-Nationalpark in Kalifornien: Magdalena Abele ist als Fotografin selbst auch Touristin, die es an die Orte zieht, die so viele sehen wollen.
Kleinen Karawanen gleich bevölkern bunt gekleidete Ausflügler die meist ebenso kargen wie großartigen Landschaften ihrer Bilder. Und diesen Wanderströmen gilt das eigentliche Interesse der 25-Jährigen, die in Karlsruhe Medienkunst und Fotografie studierte, seit 2010 in Nürnberg lebt und vom Berufsverband Bildender Künstler gemeinsam mit Anna Handick (deren Ausstellung zuvor zu sehen war) für die Debütantenförderung des bayerischen Kunstministeriums ausgewählt wurde.
Verdichtete Zeit
„Mich fasziniert, wie die Menschen, die sich an einem bestimmten Ort bewegen, diesen einnehmen und dabei oft absurde Formationen bilden“, sagt Abele. Doch geht es ihr nicht um die reine Dokumentation. Immer abseits der Laufwege stehend, fotografiert sie ihr Motiv aus stets derselben Perspektive zahlreiche Male, erfasst so die Bewegung der Menschen, ihre veränderten Standpunkte und Haltungen und montiert diese dann zu einem neuen Einzelbild. So sieht man etwa den Mann im roten Hemd, der zum Zabriskie Point hinaufläuft, am Anfang, in der Mitte und am Ende des Weges. Und auch die anderen Touristen haben sich vervielfacht.
Die Landschaft selbst bleibt dabei unberührt, wird in geradezu klassischer Manier in Szene gesetzt und zur Bühne für ein Figurenarrangement, in dem sich letztlich die Zeit verdichtet. „Bei mir gibt es nicht den einen wichtigen Moment, sondern viele“, sagt Abele, die mit ihren Bildern auch das Medium der Fotografie selbst thematisiert, dem man – obwohl man um die Manipulationsmöglichkeiten weiß –, immer noch reflexartig einen Wahrheitsgehalt zuspricht.
Eines ihrer frühesten Bilder zeigt vier Vögel am Himmel, die die Eckpunkte eines Quadrats markieren. „Die Leute haben mir tatsächlich geglaubt, dass die Vögel in dieser Formation geflogen sind“, erinnert sich Abele, die die subtile Manipulation in der Folge immer mehr erweiterte und verfeinerte. Ihre Fotografien führen dem Betrachter eine Welt vor Augen, die wirklich ist und doch ein eigenes künstlerisches Konstrukt.
Damit bewegt sie sich auf den Spuren von Andreas Gursky, allerdings ohne wie dieser in seinen Wimmelbildern auf Monumentalität zu setzen. In Abeles Fotografien ist die Irritation von leiser Art und gerade darum spannend.
Regine Urban, Nürnberger Nachrichten