Blättern in regionaler Kunstgeschichte

Nürnberger Kunstvilla präsentiert die facettenreiche Schau "Und der Gewinner ist..."

In diesem Jahr feiert die Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg 350-jähriges Bestehen. Statt mit Blumen gratuliert die "Kunstvilla - Museum für regionale Kunst" mit einem facettenreichen Strauß an künstlerischen Positionen. Im Kunsthaus zeigt sie die Arbeiten von 22 ehemaligen Studierenden der Akademie, die zwischen 1983 und 2011 für den bundesweiten Wettbewerb "Kunststudentinnen und Kunststudenten stellen aus" nominiert waren. Noch sind in der Kunstvilla in der Nürnberger Blumenstraße die Bauarbeiter zugange. Bis das Museum für regionale Kunst voraussichtlich im Frühjahr 2014 eröffnet wird, ist es auf Auftritte außerhalb der eigenen Räume angewiesen. So ist Leiterin Andrea Dippel zum dritten (und letzten) Mal mit einer Schau im Kunsthaus zu Gast.

Wer die aktuelle Präsentation ohne Hintergrundinformationen besucht, mag auf den ersten Blick den roten Faden vermissen, der die 28 grundverschiedenen Arbeiten der 22 Künstler verbindet. Doch genau dieses fehlende Bindeglied ließe sich auch als Teil des Ausstellungskonzepts ausmachen. Hier geht es nicht um die übergreifende Idee eines Kurators, sondern um individuelle Positionen, die eines gemein haben: Sie wurden in den vergangenen knapp 30 Jahren dadurch geadelt und für förderungswürdig befunden, dass sie von der Nürnberger Akademie zum Wettbewerb deutscher Kunsthochschul-Studenten nach Bonn geschickt wurden. So passen sie auch ins Konzept der Kunstvilla, wo man sich der Aufarbeitung regionaler Kunst verpflichtet fühlt. Dass sich einige Künstler nicht unter dieser Rubrik sehen wollen und es auch Absagen an die aktuelle Schau gab, gibt Andrea Dippel unumwunden zu.

Mit den gezeigten Arbeiten - von gegenständlichen und abstrakten Gemälden im Klein- und Großformat über filigrane und massive Skulpturen bis hin zu Installationen - blättert die Museums-Chefin in der regionalen Kunstgeschichte. Wobei sich in der grob chronologischen Abfolge immer auch der jeweilige Zeitgeist spiegelt. Von klassischen künstlerischen Arbeiten führt der Weg zunehmend zu Werken, die sich den Raum erobern, wie etwa Thomas Mays schwebende Iris-Blüten oder Matthias Böhlers ironisch gebrochene "romantische" Styropor-Landschaft, aus der staubfusselige Bäume erwachsen. Auch der Werdegang und die aktuelle Position der einstigen Studenten sollen berücksichtigt werden. Was nicht leicht zu bewerkstelligen ist. Denn naturgemäß präsentieren nur die jüngeren Ausstellungsteilnehmer aktuelle Werke. Etwa Benjamin Zuber, der eine witzige, im besten Sinne sinnfreie Assoziationskette rund um Charles Darwin legt, oder Michael Roggon, an dessen bildhauerischer Performance der Betrachter selbst teilnimmt. Beide wurden 2011 zum Wettbewerb entsandt.

Bei einer Künstlerin wie Susanne Carl, die seit 1991 den großen Sprung von der Malerei zur performativen Inszenierung gemacht hat, muss man schon auf die Abbildungen im Ausstellungskatalog zurückgreifen, um ihre Entwicklung nachzuvollziehen.

Dasselbe gilt für den Meister der Spiegelungen, Jürgen Durner (der indes ab Samstag parallel die Galerie Atzenhofer retrospektiv bespielt), oder Peter Fidel, dem seine filigranen Metall-Skulpturen irgendwann "zu wenig Seele" hatten, und ebenso für den Fundstück-Verwerter Hubertus Hess. Andere, wie die Textilkünstlerin Christina Ruhland, sind dagegen bei ihrem "Lebensthema" geblieben. Auch das ist eine interessante Erkenntnis. Die Ausstellungsteilnehmer selbst kann man übrigens in ihrem "aktuellen Zustand" betrachten - auf Fotografien des Nürnbergers Stephan Minx.

18. April 2012, Nürnberger Nachrichten
Birgit Nüchterlein

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