Was Japaner über uns so denken

"Encyclothek" im Kunsthaus - 17.01.

NÜRNBERG  - Ob Briefmarken, Gemälde, Motorräder oder archäologische Artefakte: Sammeln ist eine Leidenschaft, und gerade die bedeutendsten Museen verdanken ihren Grundstock dem Sammeltrieb von Monarchen und Industriellen. Nun also zeigt das Kunsthaus unter dem Titel "Encyclothek" einen Ausschnitt aus der umfangreichen Sammlung des japanischen Industriemagnaten Yasha Fukuro.
Fukuro liebte die westliche Kultur, besonders deren Eigenart, Dinge zu katalogisieren, miteinander zu verknüpfen und der Unübersichtlichkeit der Welt mit ausgefeilten Erklärungsmodellen zu begegnen. Ein weiterer Schwerpunkt: Projekte zur Beglückung der Menschheit, wie Hermann Sörgels „Atlantropa“: Der Bauhausarchitekt Sörgel wollte das Mittelmeer trockenlegen und Lebensraum gewinnen.

Daneben betätigte sich Yasha Fukuro selbst als Künstler, ersann sich ein alter Ego als Superheld Owlman, drehte Filme mit und über sich und sprengte sogar seinen typisch japanischen Familiensitz vor laufender Kamera in die Luft. Eine faszinierende Persönlichkeit...

Ja Pustekuchen! Yasha Fukuro hat nie existiert, die über Jahrzehnte zusammengetragenen Artefakte sind frisch gebastelt und die ganze Ausstellung ein Fake. Ein Fall für die Polizei, Dezernat Kunstschwindel? Nein, denn die „Nachlassverwalter“ Matthias Böhler, Sebastian Hein und Christian Orendt halten zusammen mit Felix Burger, Stefan Eichhorn und Benjamin Greber sowie einem Trio von Filmemachern die Perspektive des fernöstlichen Blicks auf die westliche Welt weitgehend durch - und bestätigen und ironisieren gleichzeitig das auf Vollständigkeit erpichte Konzept kultureller Präsentation.

Kuppelzelte von Hippiekommunen

Was gibt es zu sehen? Die Wurzel allen Schaffens, die frühe Erfassung der Welt anhand eines großen Ereignisses, hier in Gestalt nachgeahmter Kinderzeichnungen als Reaktion auf ein Erdbeben; die Selbstinszenierung als Übermensch, um sich von der Masse abzuheben und doch als Manga-Comic massenkompatibel zu bleiben; geodätische Kuppelzelte von Hippiekommunen als Alternative zur starren Architektur des Bürgertums; Modelle von welterfassenden oder -verändernden Projekten, wuchernde Zentralen der Wissensakkumulation; Photogramme von Flughundskeletten als biologisch-ästhetische Figuren; schließlich den Kampf verschiedener Gruppen um die Macht, in Gestalt stangendurchbohrter Gestalten, flankiert von verrosteten, archaischen Helmen und Masken. Ein mal zum Schmunzeln, mal zum Gruseln anregender Blick auf die Hauptströmungen und Sackgassen der westlichen Kultur der vergangenen 300 Jahre.

Garniert wird die „Encyclothek“ mit Filmen von und über Yashi Fukuro, darunter eine Mockumentary über die Auffindung selbst gedrehter Filme in einer Schweizer Sennhütte, sowie der Film, auf dem er die Zerstörung seines Familiensitzes festhält. Dies ist wiederum ein klares Zitat aus Antonionis „Zabriskie Point“, die Explosion eines Luxusbungalows in Zeitlupe.

Reinhard Kalb - Nürnberger Zeitung

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