Debütantenförderung: Ausstellung von Bettina Graber im Künstlerhaus
NÜRNBERG - Ach, wie nett! Bettina Graber häkelt und stickt, sie bastelt Püppchen und fertigt Porzellantassen. Diese vermeintlich harmlosen Arbeiten werden nun vom Künstlerbund BBK gefördert und im K4 ausgestellt. Denn es lohnt sich, genauer hinzusehen: Oft sind die vertraut wirkenden Gegenstände nur ironisch verfremdet, manchmal tun sich auf den zweiten Blick wahre Abgründe auf.
In der Ausstellung „HinterScheinSein“ rollt ein Panzer aus weißem Porzellan, auf ein Brautkleid sind Maschinenpistolen und Prostituierte gestickt. Diese Motive orientieren sich an einer Bibelstelle: Bei Hesekiel wird Jerusalem erst als Braut beschrieben, dann versinkt die Stadt in Gewalt, Götzendienst und Hurerei. Bettina Graber will hier nicht Gut und Böse gegenüberstellen, sondern die Widersprüche im Menschen und in der Gesellschaft zeigen.
Besonders eindrucksvoll gelingt dies, wenn sich die Künstlerin typische Alltagsgegenstände vorknöpft. Was unter dem Titel „Zur Feier des Tages“ wie ein festlich gedeckter Esstisch wirkt, könnte so mancher Vorzeigefamilie auf den Magen schlagen. Weil die feinen kleinen Motive auf den Tellern und Tassen lauter Themen zeigen, die in der heilen Welt nie auf den Tisch kommen: Pistolen, Raketen und Sex auf feinstem Porzellan. Manche Stücke des Services sind mit gehäkelten Schonern überzogen – unter denen man noch viel drastischere Bilder vermutet. Womit bewiesen wäre: Was schonen soll, beunruhigt erst recht.
Besonders kritisch setzt sich Bettina Graber mit einer Spielzeugpuppe auseinander, die vor lauter weiblichen Attributen nicht mehr stehen kann. Die Porzellanpuppen, die vom Fließband aus der „Gleichmachmaschine“ kommen, erinnern in ihrer Formgebung fatal an das umstrittene Spielzeug. Und dann hat die Akademie-Studentin noch eine eigene Puppenserie kreiert: Babsi heißt ihr blondes Geschöpf, das in verschiedenen Sets an der Wand hängt. Zum Beispiel die Bulimie-Babsi mit Torte und Toilette im Karton. Oder Babsi beim Schönheitschirurgen – mit aufgemalten Schnittmustern an den gar nicht vorhandenen Problemzonen.
Nürnberger Zeitung, Erik Stecher - 10.08.2011