Stadt, Land, Fluss: Der 19. NN-Kunstpreis zeigt die Vielfalt der Szene und wandert nach Córdoba - 20.07. 07:52 Uhr
NÜRNBERG - Der „Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten“ gehört zu den höchstdotierten Auszeichnungen in Nordbayern. Insgesamt 600 Künstler hatten sich in diesem Jahr beworben, 77 davon wurden von der Jury mit rund 100 Arbeiten ausgewählt. Die Palette an Werken reichte auch in diesem Jahr wieder von Grafiken, über Gemälde hin zu Skulpturen und Zeichnungen.
Ein Prosit auf die gute alte Glühbirne! Mathias Otto hat dem ausrangierten Leuchtmittel ein Denkmal gesetzt. Schließlich passt das moderne Relikt auch glänzend in das Konzept des Nürnbergers, der mit seinen Nachtbildern als Maler der Dunkelheit bekannt ist. Zu nachtschlafender Stunde genehmigt man sich gerne auch mal Hochprozentiges in stilvollen Gefäßen.
David Dotts exquisite Schnapsbecher aus Eisen und Silber sind vor Ottos Bild „In Memoriam 60 Watt“ also sinnfällig präsentiert — zumal an der Wand gegenüber gleich Jürgen Durners (in raffinierter Spiegeltechnik gemalte) „Gaststätte“ hängt. Und auch an anderen Stellen der gelungenen Präsentation zum 19. NN-Kunstpreis geht einem beim Betrachten der Arbeiten und Nachbarschaften mitunter erst langsam ein Licht auf.
Die „Badende“ von Malerin Silke Mathé beispielsweise hat auf den ersten Blick so gar nichts Weibliches: Brusthaar, markante Gesichtszüge, breite Schultern. Der große Typ, der einen da anblickt, tut es durch eine Sonnenbrille — und in der spiegelt sich die im Titel versprochene „Badende“. Genau hinsehen muss man auch bei dem über anderthalb Meter breiten Werk von Meng Yang: Eine Blumenwiese in Grau, Weiß und Schwarz, die aussieht, als bestünde sie aus Wollfäden, in Wahrheit aber mit Markerstiften auf Leinwand zum Blühen gebracht wurde.
Den Begriff der Zeichnung erweitert auch Birgit Bossert mit ihren samtig-rötlichen „Nachtstücken“ — womit wir in gewisser Weise wieder bei Mathias Otto wären. Auch Bossert bedient sich wie Meng Yang eines Arbeitsmaterials aus dem Schreibwarengeschäft um die Ecke: Auf schwarzem Karton gewährt sie jeweils einem von elf Buntstiften einen großen Auftritt, legt damit in stundenlangen Arbeitsprozessen Schicht auf Schicht, bis am Ende der Stift gut vier Zentimeter kürzer und auf dem Blatt eine Farbfläche entstanden ist, an der man sich kaum sattsehen kann. Für ihre fragilen und außergewöhnlichen Papierarbeiten ist auch Aja von Loeper, Hauptpreisträgerin von 2008 bekannt, die diesmal mit einer ihrer neueren Farbarbeiten überzeugt.
Neue Wege gehen auch die Malerin Ursula Jüngst, die von ihren flirrenden kosmischen Farbsymphonien zugunsten pastoser, harter Pinselstriche abgekommen ist, und die Bildhauerin Michaela Biet. Die Künstlerin aus Oberasbach, die bislang aus Stein organisch anmutende Skulpturen geschaffen hat, greift neuerdings zu einem weitaus weicheren Material: Zwei Selbstporträts — darunter eines als Nofretete — sind aus Wachs entstanden. Und wenn wir schon bei ungewöhnlichen Materialien sind, darf Linda Männel nicht unerwähnt bleiben: Die Künstlerin (Jahrgang 1983) kombiniert Tuschzeichnungen mit Textil: Ihre nostalgischen Zeichnungen von tanzenden Kindern führen ins „Jugendtal“ (so der Titel der dreiteiligen Arbeit), das von hellen Wollfäden überspannt wird, geheimnisvoll durchscheint und so wie entrückt wirkt — weit weg wie die Jugend.
Linda Männel ist eine von 18 Debütant(inn)en beim NN-Kunstpreis. Dazu gehört auch Jong Su Chu (Jahrgang 1975) mit seinem aus hunderten von Eisenstäben erschaffenen „Kaktus“ oder Seokyoung Kim (Jahrgang 1979) mit einer aus Bronze gegossenen und golden ausgekleideten Schale. Die Beispiele zeigen: Auch diesmal sind neben vielen Malern und Grafikern, neben einigen Bildhauern und wenigen Objektkünstlern wieder Gold- und Silberschmiede vertreten.
Das Altersspektrum reicht vom 23-jährigen Jungspund Matteo Bauer-Bornemann mit seiner stählernen Schale bis zum 81-jährigen Altmeister Wilhelm Uhlig mit einem Porträtkopf aus Bronze. Die Stile, Materialien und künstlerischen Handschriften sind ebenso vielfältig wie die Themen: Wunderbare Landschaftsbilder etwa von Hauptpreisträger Philipp Findeisen, der einen Dschungel im Großformat wuchern lässt, oder Sonderpreisträger Andi Schmitt, der stimmungsvolle Landschaften unter hohen Himmeln und fernen Horizonten zeigt, stehen famose Stadtansichten von Werner Tögel oder Yin Ren gegenüber. Das Auge in Bewegung halten auch die überzeugenden abstrakten Kompositionen von Peter Kampehl oder Gabriela Dauerer, und politische Aussagen verpacken der Grafiker Axel Voss und der Objektkünstler Fredder Wanoth künstlerisch in ihren Werken.
Weniger ist mehr
Insgesamt setzt die Ausstellung zum Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten, die in den vergangenen Jahren stetig auf Wachstumskurs war, diesmal auf das wohltuende Motto: Weniger ist mehr. 77 Künstler sind vertreten — 15 weniger als im Vorjahr. Die Auswahl zu dieser facettenreichen Leistungsschau der gegenständlich orientierten Kunst in Franken war also noch härter als im Vorjahr. Das bedeutete für die siebenköpfige Jury intensives Ringen, hat für den Ausstellungsbesucher aber den Vorteil, dass von einigen Teilnehmern zwei oder gar drei Werke hängen und so ein besserer Einblick in deren Schaffen vermittelt werden kann. Die Gesamtzahl der Exponate liegt mit rund 100 immer noch unter der von 2010, als es 115 Arbeiten waren.
Auch diesmal wandern die Ausstellungsstücke nach ihrem Auftritt in Nürnberg ins Ausland: Vom 15. September bis 15. Oktober ist der NN-Kunstpreis zu Gast in der spanischen Partnerstadt Córdoba.
Nürnberger Nachrichten, 20.7.2011, Birgit Ruf