Neue Wege im Nürnberger Kunsthaus

"Komm auf den Boden, Liebling!": Die erste Ausstellung unter veränderter Regie

Mit einem verführerischen Ausstellungstitel startet das Kunsthaus Nürnberg nach turbulenten Zeiten einen Neuanfang: Komm auf den Boden, Liebling!

Die Querelen mit den Künstlerverbänden sind vorbei, aber nicht vergessen. Nachdem der Nürnberger Stadtrat den Verbänden die Ausstellungskontingente im Haus am Königstor genommen hatte, um die Qualität der Präsentationen dort zu heben, hat jetzt ein sechsköpfiges Beratergremium das Sagen. Ihm gehören Künstler, Kunstvermittler und Mäzene aus der Region an, darunter Manfred Rothenberger vom Nürnberger Institut für moderne Kunst und der Fürther Künstler Andreas Oehlert. Ihrem Auftaktprojekt merkt man das Bemühen um Anspruch und Qualität an. Sie demonstrieren mit sieben Teilnehmern die Abkehr von überfüllten Gruppenschauen, haben einen Professor ebenso wie einen Studenten im Portfolio, hiesige Teilnehmer wie Gäste von auswärts und stellen das Ganze mit dem charmanten Titel unter ein griffiges Motto.

Dabei kommt Ellen Seifermann, Ausstellungchefin im KunstKulturQuartier und damit auch im Kunsthaus, aber nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass der Titel auch als ironische Anspielung auf die Tatsache verstanden werden kann, "dass anspruchsvolle Konzepte mit den vorhandenen Mitteln kaum zu leisten sind". Hier landet eben jeder schnell auf dem Boden der Tatsachen - auch beim Betrachten der Kunst. Zwei der überzeugendsten Arbeiten nämlich befassen sich mit dunklen Kapiteln der Nürnberger Geschichte.

Thomas Kilpper, Gastprofessor an der Kunstakademie, fragt: Wer hat Elisabeth van Dyck getötet? Die Frau, wohl RAF-Mitglied, wurde 1979 bei der geplanten Festnahme in ihrer Wohnung in der Stephanstraße von hinten erschossen. Kilpper war damals Student in Nürnberg und ist heute Spezialist im bildhauerischen Umgang mit (leerstehenden) Gebäuden, denen er ortsbezogene Themen in seinem ganz eigenen Stil einschreibt. "Das Gebäude ist mein Arbeitsmaterial, wie es der Marmor für Michelangelo war", sagt Kilpper, der die großen Buchstaben für das aktuelle Wortwerk aus der Tapete in einem ansonsten leeren Ausstellungsraum herausgeschnitten und als Spiegelschrift auf den Boden gelegt hat. Karge Kunst, deren Potential sich nur mit dem Wissen um die historischen Ereignisse erschließt. Dann aber mit Wucht.

Wesentlich verspielter geht Thomas May vor: 1000 Blätter von Pflanzen, die aus Steinritzen am Reichsparteitagsgelände sprießen, hat er abgemalt und auf seine typische Art verspannt. Über Podeste kann man das Blattwerk betreten - das ebenso ästhetisch wie beziehungsreich ist. Was man von Michael Schrattenthalers konzeptueller Bodenplastik "Parkett" leider nicht behaupten kann.  Und die Ästhetik von Mariella Moslers Bildern aus Sand hätte man gerne im Original und nicht nur auf Videos gesehen.

Das farbige runde Bodenbild von Ben Hübsch im Eingang ist ein nettes Entree und Daniel Hörls Vision eines verlassenen Appartements ein melancholischer Rausschmeißer. Ganz wunderbare Akzente setzt Ladislav Zaijac mit seien raffinierten Säulen aus Licht. Insgesamt ein guter, wenn auch kein umwerfender Neuanfang.

3. Februar 2011
Nürnberger Nachrichten - Birgit Ruf

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