Bäume und Schlingpflanzen, Vögel und Pilze, Behausungen und bühnenbildhafte Interieurs: Monika Michalko (*1982 Sokolov, Tschechien) verbindet in ihrer Malerei figürliche und objekthafte, organische und ornamentale, abstrakte und architektonische Elemente. Ihre Bildkompositionen sind stets fiktiv: Erinnerungen, Phantasmen und traumartige Szenen bilden einen malerischen Kosmos, der durch seine eigenen Gesetzmäßigkeiten definiert ist. Auch die spezifische Tonalität ihrer Werke verstärkt deren traumartige Anmutung. Immer wieder erinnern diese Kompositionen vage an Künstler der Moderne wie Paul Klee, Kasimir Malewitsch, Giorgio de Chirico, Odilon Redon oder James Ensor.
Mit der Ausstellung Here in the Real World präsentiert die Kunsthalle Nürnberg erstmals umfassend das genreübergreifende Werk von Monika Michalko. Die „reale Welt“ kommt häufig über das Radio in das Atelier der Künstlerin. Während des Malens hört sie Berichte über das Weltgeschehen, über die Krisen, Eskalationen und Naturkatastrophen unserer Zeit. Ihre oft bunten, surrealen Kompositionen entstehen im Bewusstsein dieser Realität. Sie repräsentieren zugleich die Fähigkeit zur eskapistischen Gestaltung einer alternativen Welt.
Die Malerei von Monika Michalko beschränkt sich nicht auf die Zweidimensionalität eines planen Bildträgers. Sie wird volumenhaft, dehnt sich aus und greift in die dritte Dimension. Charakteristische Bildelemente kehren auf Wänden, auf Teppichböden oder als Muster auf Mobiliar und Objekten wieder. Die Grenzen zwischen Bild und Raum lösen sich in einem komplexen Zusammenspiel auf.
In einem der Räume der Kunsthalle Nürnberg kuratiert Monika Michalko eine „Ausstellung in der Ausstellung“ und stellt ihre Werke gemeinsam mit den Arbeiten befreundeter Künstler*innen aus. Mit dieser Entscheidung konterkariert sie die tradierte Vorstellung eines genialisch schöpfenden Künstlerindividuums und entwickelt eine Art „Cliquenkunstwerk“. Dieses repräsentiert ein verschlungenes Netzwerk aus persönlichen Freundschaften, Referenzen und Verbindungen und lässt die Kollaboration zum Arbeitsprinzip werden.
Here in the Real World wird auch Beispiele aus der Werkserie der Tableaux vivants zeigen: lebende Bilder, filmisch festgehalten und wie dadaistische Theaterstücke erscheinend. Damit reaktiviert die Künstlerin eine Tradition, die sich im 18. und 19. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute: Berühmte Werke der Kunstgeschichte wurden durch lebende Personen nachgestellt, und auch Monika Michalko inszeniert eine zunächst statisch erscheinende Szene mit mehreren Modellen. Diese sind kostümiert und in Pose gesetzt, mit vielfältigsten Requisiten und Kulissen ausgestattet: Strategien des Theaters und der bildenden Kunst werden kombiniert. Anders jedoch als in der Tradition des Tableau vivant, in der das „lebende Bild“ meist fotografisch festgehalten wurde, filmt Monika Michalko die Szenerie. Zunächst scheinen wir mit dem eingefrorenen Moment eines filmischen Standbildes konfrontiert. Dann werden jedoch die minimalen Bewegungen der Körper deutlich. Die relative Ereignislosigkeit, die der alltäglichen Bilderflut diametral entgegensteht, entwickelt eine sehr spezifische, zarte Ästhetik und schult unseren Blick für die unzähligen Details der Komposition. Jeder Atemzug, jeder Wimpernschlag wird zum Ereignis.
Die Ausstellung präsentiert auch das 2023 entstandene Tableau vivant Ship of Fools: In einer Kulisse aus stark aufgeworfenen Pappwellen, eingefroren in dem Moment, in dem die Wellen zu brechen drohen, zeigen sich verschiedene Darsteller*innen, samt Kindern und einem Hund. Es gelingt ein spannungsvoller Spagat zwischen Belebtem und Unbelebtem, zwischen Statik und Bewegung. Das Bild eines vom Weg abgekommenen Schiffs voller Narren besitzt vielfältige Bezüge zu Nürnberg: Die spätmittelalterliche Moralsatire Das Narrenschiff von Sebastian Brant (1457-1521) zählt zu den populärsten deutschsprachigen, reich illustrierten Werken des 15. Jahrhunderts. Zu den Künstlern, mit denen der Autor in Basel für die Illustrationen zusammenarbeitete, gehörte der junge Albrecht Dürer, der jedoch bereits nach Fertigstellung von 73 der 114 Holzschnitte nach Nürnberg weiterzog. Monika Michalko findet eine neue Interpretation des Motivs und inszeniert eine zeitgenössische Metapher für den Zustand einer Welt zwischen Verbindung und Auseinanderdriften.
Monika Michalko wurde von der Kunsthalle Nürnberg 2023 als Stipendiatin des Marianne-Defet-Malerei-Stipendiums ausgewählt und verbrachte fünf Monate im Atelier- und Galeriehaus Defet in Nürnberg. Neben rund 40 Werken aus den zurückliegenden Jahren werden auch die in Nürnberg entstandenen Gemälde im Kontext ihrer Ausstellung Here in the Real World präsentiert. Sie komplettieren eine visuell überbordende und inhaltlich vielschichtige Ausstellung. Ihre Ausstellung, die von einem opulenten Katalog begleitet wird, der im Snoeck Verlag erschienen ist. (232 Seiten, Deutsch/Englisch, ISBN 978-3-86442-443-4, 48 €, an der Museumskasse 38 €).
Auf Einladung von Monika Michalko zeigt Here in the Real World auch Werke von
Abel Auer // Anna Steinert // Christoph Blawert // Dirk Meinzer // Dominik Bucher // Dorota Jurczak // Ellen Sturm // Ernst Markus Stein // Felix Krebs // Franziska Nast // Fritz Bornstück // Jajaja´s // Jan Michalko // Jen Bennett // Jonas Brandt // Malte Urbschat // Max Frisinger // Max Thiel // Micha Conrads // Nike Wilhelms // Nschotschi Haslinger // Sandra Slim // Sebastian Kubairsky // Veronika Gabel // Volker Hueller //
sowie Kooperation mit
Melanie Fernandez Sanchez // Studio C.A.R.E.
Kunsthalle Nürnberg is presenting the genre-spanning work of Monika Michalko (*1982 Sokolov, Czech Republic) for the first time with the comprehensive exhibition Here in the Real World. The artist combines figurative and object-like, vegetal and ornamental, abstract and architectural pictorial elements in her paintings, interweaving them to produce an organic structure that seems to offer an alternative reality untrammelled by the laws of perspective, gravity or proportion. Her paintings are complex hidden picture puzzles: shapes and colours completely fill the available space, and new micro-narratives can be discovered again and again.
The exhibition title Here in the Real World encourages us to reflect on everyday reality, which often enters the artist’s studio via the radio: while painting, she listens to reports on world events, on the crises, escalations and catastrophes of our time. Her compositions are created with an awareness of this reality; at the same time, they illustrate the capacity to create an alternative world and to escape there.
Looking at these works with some knowledge of the history of painting, a range of references become apparent. They are never direct quotations; Monika Michalko makes painterly and compositional decisions that document her familiarity with the avant-garde trends of modernism. Repeatedly, her compositions call to mind artists like Paul Klee, Kazimir Malevich, Hilma af Klint, Giorgio de Chirico, Odilon Redon and James Ensor.
Monika Michalko’s oeuvre is characterised by ingenious play with the boundaries between painting, drawing, sculpture, film and performance. Her painting is not limited to two dimensions, either – it becomes voluminous, expands and extends into the third dimension. Characteristic pictorial elements recur on the walls, carpets or as patterns on furniture and objects. The paintings’ formal language is extended into the space as an installation, so that the boundaries between image and space dissolve in a complex interplay, and we ourselves become part of the staging.
Kunsthalle Nürnberg is also presenting works from her series of tableaux vivants: living images, captured on film and resembling Dadaist theatre. In this way, the artist reactivates a tradition that enjoyed great popularity in the 18th and 19th centuries, when famous works of art history were re-enacted with living people. Monika Michalko also stages a scene with several models that appears static at first. The participants are costumed and posed, equipped with a variety of props, and staged against backdrops. At first, it seems we are being shown the frozen moment of a film still. But then, the bodies’ minimal movements become clear. The relative uneventfulness, diametrically opposed to our everyday flood of images, develops a highly specific, delicate aesthetic, and trains our eye for the countless details in the composition.
Monika Michalko was the 24th recipient of the Marianne Defet Painting Scholarship at the invitation of Kunsthalle Nürnberg. She lived and worked in the Defet Studio and Gallery Building in Nuremberg from March to July 2023. Her exhibition Here in the Real World will be accompanied by a lavish exhibition catalogue, published by Snoeck Verlag (232 pages, German/English, ISBN 978-3-86442-443-4, 48 €, at the museum 38 €).