Junge Kunst in Nürnberg

Von hart behelmt bis gut behörnt

Verkehrt man das Schweizer Kreuz in sein Gegenteil, hat man das Rote. Den vielen Schafen in Tessa Wolkersdorfers fantastischer Malerei steht beides gut: Filzschlappen mit dem Schweizer und ein Rettungstier mit dem Roten Kreuz auf dem Buckel. Solche Ersthelfer in der Nähe zu wissen, ist ja nie verkehrt. Noch dazu, wenn - wie in den atmosphärisch dichten Werken der 1982 geborenen Nürnbergerin - im Hintergrund meistens etwas Dunkles, Doppelbödiges, Unklares lauert. Die Düsternis erzeugt Wolkersdorfer, die als Debütantenpreisträgerin im Kunsthaus Nürnberg auch ihren gelungenen ersten Katalog präsentiert, aufgrund der unkonventionellen Kombination aus Tusche und Acryl. Freche Fantasien bis an die Abgründe der Gegenständlichkeit kommen noch dazu, lassen den Betrachter zuweilen aber auch ganz schön schaurig im vagen. Gespenstisch rinnt dann "Lichtmilch" aus der Lampe, wird "Waldwäsche" durchgeführt, bei der ein Kitz in der Trommel steckt. Andere Tiere auf anderen Bildern haben Schrauben statt Augen. Dann wiederum heizen traumschwer Trockenhauben vor blutrotem Himmel alles mögliche auf, außer menschlichen Haaren. Und vor der Wohnzimmerwand hockt tatsächlich ein Leopard. Seit einem Jahr kann sich Wolkersdorfer Meisterschülerin von Peter Angermann nennen, mit dessen letzter Klasse sie übrigens auch ab diesem Freitag im Blindeninstitut Dachsberg in Rückersdorf ausstellt. Im Kunsthaus-Kopfbau des K4 ist die beachtenswerte Künstlerin nach dem Maler André Debus die nun zweite "Debütantin", die heuer vom Berufsverband Bildender Künstler eine Plattform erhält.

müc, Nürnberger Zeitung vom 10. November 2010

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