Hommage zum 100. Geburtstag des Malers und Grafikers Gerhard Wendland
NÜRNBERG - Lust auf die künftige Nürnberger Kunstvilla macht deren Leiterin Andrea Dippel nun mit einer sehenswerten Ausstellung samt üppiger Begleitpublikation im Kunsthaus. Im Zentrum steht das vielgestaltige Werk von Gerhard Wendland (1910-1986).
»Sie sehen hier nicht einen, sondern viele Wendlands«, sagt Andrea Dippel und meint damit die ständigen Stilwechsel, die der Maler und Grafiker im Laufe seiner Karriere vollzogen hat. Gekrönt wurde die mit der Teilnahme an der »documenta II« 1959 in Kassel. Im Jahr darauf kam der Ruf an die Nürnberger Kunstakademie, wo der gebürtige Hannoveraner 18 Jahre lang Malerei lehrte. »Er war einer der beliebtesten Professoren und hatte in seiner Laufbahn über 100 Studenten. Es sind die, die jetzt die regionale Kunstszene prägen«, so Dippel.
»Kleiner, freundlicher Mann«
Werner Knaupp gehört dazu, Günter Paule, Rainer Zitta oder Peter Angermann. Und Herbert Achternbusch urteilt über den »kleinen, freundlichen Mann«: »Er war der beste Lehrer, obwohl er mir nichts zugetraut hat, hat er alles von mir erwartet.« Freundlich und unprätentiös tritt Wendland auch in dem Film auf, der 1980 anlässlich einer Retrospektive in der Nürnberger Kunsthalle gedreht wurde und nun das Entree zur aktuellen Schau bildet. Darin erklärt der »barocke Klee« dem Betrachter seine »Farbwunder« und die Geheimnisse seiner eigenhändig angerührten Eitempera-Farben.
Mit 120 Werken - Grafiken, Gemälde (darunter zwei der drei »documenta«-Exponate) und auch einige Objekte - zeigt die Präsentation den ganzen Wendland auf seinem Weg von der Gegenständlichkeit zur Abstraktion (und mitunter auch wieder zurück), seine Lust auf Neues, seine Vorliebe für das Experimentieren - mit der Neuen Sachlichkeit, dem Expressionismus, Informel oder der Op-Art. In ein Korsett ließ er sich nie pressen, schwamm im künstlerischen Strom seiner Zeit und hegte wie viele Künstler seiner Generation eine tiefe und nicht zu übersehende Bewunderung für das Werk von Paul Klee.
Unkonventionell und spontan
Nicht alle Richtungswechsel kamen gleichermaßen gut an. »Die Op-Art-Phase quittierten viele Zeitgenossen mit Unverständnis«, sagt Dippel über die ab Mitte der 60er enstehenden Linienbilder, in denen sich der Mann der Farbe und freien Geste auf einmal mit akribischen Konstruktionen vermeintlich selbst Fesseln anlegte. »Nicht positiv« sei auch Wendlands intensive Beschäftigung mit der Anthroposophie gesehen worden.
»Mein Mann war davon überzeugt, dass der Mensch am glücklichsten ist, der sich selbst überraschen kann. Er war unkonventionell und spontan. Das machte es so spannend, mit ihm zu leben«, erinnert sich Gerlinde Wendland. Und das macht auch seine Kunst spannend, weil immer wieder neu und anders. Gerlinde Wendland, die 44 Jahre jünger ist als ihr verstorbener Mann, hat dessen malerischen Nachlass für die Ausstellung zur Verfügung gestellt. 350 Grafiken hatte der Künstler noch zu Lebzeiten der städtischen Sammlung übergeben, die heute im Neuen Museum ist. Zum 100. Geburtstag Wendlands kooperiert das staatliche Haus nun mit dem Kunsthaus im städtischen KunstKulturQuartier. Das soll im Herbst 2012 Zuwachs durch die Kunstvilla in der Blumenstraße bekommen, wo dann regelmäßig fundierte Ausstellungen über regional verwurzelte Künstlerpersönlichkeiten laufen sollen.
Birgit Ruf, Nürnberger Nachrichten, 12.5.2010