Der Griff nach dem Möglichen

Gerhard Wendland im Kunsthaus

Gerhard Wendland war ein sinnlicher Pädagoge. Er konnte gut davon erzählen, wie man Bilder aufbaut, in welchen Spannungen Farben zueinander stehen. In seinem zunehmend voluminöseren Körper steckten Musik, Spiritualität (anthroposophischer Provenienz), Verschmitztheit, Lebenslust. Viele Menschen in der Region haben davon profitiert.

Denn Wendland war zwischen 1960 und 1986 nicht nur Professor an der Nürnberger Kunstakademie. Er war auch Dozent am Bildungszentrum und am Pädagogischen Institut. Der Eros des Lehrens hatte ihn ganz ergriffen. Und manche, die heute für die Kunst der Region stehen, waren seine Schüler – Werner Knaupp zum Beispiel.

Der Künstler Gerhard Wendland galt in den 1950er und 1960er Jahren als maßgeblicher Vertreter der Abstraktion in der Bundesrepublik Deutschland. Als die Documenta II 1959 ein Resümee internationaler Nachkriegskunst zog, war Wendland mit drei Werken eingeladen. Da lebte er noch in Hannover, wo er 1910 geboren ist.

Ein Jahr später kam er nach Nürnberg. Und hier sind Künstler rar, die einmal auf der Documenta ausstellen durften. Man schmückt sich gern mit ihnen. Aber nicht nur die Nürnberger Kunstszene hat Gerhard Wendland vereinnahmt. Umgekehrt hat er gern in Franken gewirkt, hat am Fuß des Moritzbergs seine Wahlheimat gefunden. 1986 ist er dort gestorben. Deswegen ist Nürnberg der Ort, um ihn zum 100. Geburtstag mit einer Werkschau zu ehren.

Bis zum 4. Juli ist die Schau im Kunsthaus aufgeschlagen. Eigentlicher Veranstalter ist die künftige Kunstvilla mit ihrer Fränkischen Galerie. Leihgaben kommen aus der Städtischen Sammlung des Neuen Museums. Die meisten Arbeiten aber hat Gerlinde Wendland zur Verfügung gestellt, die Witwe und Nachlassverwalterin des Künstlers, die noch in der Region wohnt.

Rund 130 Exponate haben so zusammengefunden. Die Ausstellungs-Gliederung von Kunstvilla-Chefin Andrea Dippel ist klar und einsichtig: Vier Räume – vier Kunstepochen, alles chronologisch sortiert. Im Gang des Kunsthauses stehen vier Informationsblöcke in Lieblingsfarben von Wendland. Sie enthalten biografische Abrisse und wenige charakteristische Werke der jeweiligen Schaffensperiode.

Ein Gang durch die Spätmoderne

Durchstreift man die Ausstellung, erweist sie sich im Wendlandschen Geiste wiederum als pädagogisch. Sie mutet an wie ein Durchgang durch die Kunstgeschichte der Spätmoderne, die sich im Temperament eines Künstlers bricht.

Ganz frühe Bilder, darunter zwei Selbstporträts, sind im Stil der Neuen Sachlichkeit gehalten. Mit »Menschen im Gatter« folgt 1949 ein Beispiel für den düsteren Postexpressionismus der Vergangenheitsbewältigung.

Nach Ausflügen in die Kunst der Exoten (»Teufelchen«, 1953) ist Wendland Schritt für Schritt in die Abstraktion gegangen, bis er Ende der 1950er Jahre Farbflächen-Spiele in der Tradition von Paul Klee gestaltete. Diese Arbeiten wurden in die Documenta geholt. Zwei der Documenta-Werke sind nun im Kunsthaus zu sehen.

Gerhard Wendland ist weiter Moden gefolgt. Mitte der 60er Jahre hat er den Fauvismus gestreift und hat sich dann vehement als Künstler der augenverstörenden Op-Art und in den Raum greifenden Installationen präsentiert.

Schließlich ist er zu den freundlichen Farbflächen zurückgekehrt, hat in seinen Abstraktionen manchmal wieder die Figur angedeutet, um in der letzten Schaffensphase kosmische Themen aufzugreifen, Sonnen und Monde zu formen und nochmals das Spirituelle in der Kunst zu betonen. Doch in der ganzen Ausstellung gibt es kein Bild, zu dem man sagen könnte, es sei ein unverkennbarer Wendland.

Den scheint es nicht zu geben. Gerhard Wendland hat als Künstler die Bewegungen seines Mediums adaptiert. Er hat in seiner pädagogischen wie in seiner kreativen Arbeit vermittelt, was sich tat. Aber er ist nicht in die Originalität durchgebrochen. Das macht diesen Hannoveraner so sympathisch fränkisch. Er hat der Region auf handwerklich hohem Niveau gezeigt, was möglich ist in der Kunst. Aber nach den Sternen hat er allenfalls spirituell gegriffen.

»Gerhard Wendland zum 100. Geburtstag«, bis 4. Juli im Kunsthaus Nürnberg. Katalog »Das druckgrafische Werk«, 256 S., 30 Euro.

Herbert Heinzelmann, Nürnberger Zeitung, 12.5.2010

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