„Landscapes of Time“ ist eine Ausstellung im Kunsthaus überschrieben. Doch Landschaften sind nicht immer nur Landschaften ...
Nürnbergs Kunststudenten sind in jüngster Zeit ausstellungsfreudig wie nie zuvor. Nach diversen Präsentationen, die im vergangenen Wintersemester unter anderem in der Ausstellungshalle der Akademie und der Akademie-Galerie in der Adlerstraße zu sehen waren, ist der kreative Nachwuchs nun im städtisch verwalteten Kunsthaus angekommen. Studierende der Klasse „Freie Kunst“ zeigen ihre neusten Arbeiten unter dem Titel „Landscapes of Time“. Was auf gut Deutsch heißt: Die jungen Leute haben sich Gedanken zum Thema „Raum und Zeit“ gemacht.
Den Ausgangspunkt bildete eine Lehrveranstaltung, an der auch die britische Künstlerin Judy Price beteiligt war. Dabei zeigte sich, dass die im englischen Ausstellungstitel genannten „Landschaften“ für heutige Bildermacher allerlei beinhalten können. So etwa das Verhältnis von Mensch und Architektur, aber auch Körper- und Seelenlandschaften oder auch das soziale und politische Umfeld. Ihr Verständnis von „Zeit“ umschrieben die Nachwuchskünstler mit Begriffen wie Geschichte, Erinnerung, Entwicklung, Vergänglichkeit.
Zur Visualisierung zeitlicher Abläufe eignen sich natürlich besonders die Film- und Videotechnik. Bemerkenswert sind die Videoinstallationen von Daniel Bischoff und Christina Moreno-Gracia, welche das in Kindheit und Jugend noch vorherrschende Gefühl einer endlosen (Lebens-)Zeit veranschaulichen. Einen ungewöhnlichen Blick auf die Realität vermittelt Bele Albrecht mit ihren kleinen Animationsfilmen, in denen Knetgummifiguren als „Mitmenschen“ agieren. Von Bingchuan Wu stammt eine Videoarbeit, die auf eigenwillige Weise die Erfahrungen junger Chinesen in Deutschland dokumentiert. Die Japanerin Miho Kasama erzählt via Video von den Generationskonflikten in ihrer Familie.
„Ich interessiere mich eigentlich nicht für Kunst“, meint René Hüls, der mit seiner Arbeit die grundlegende philosophische Frage nach dem Ursprung von „Raum“ aufwirft. Er zeigt eine Versuchsanordnung, die demonstrieren soll, wie die räumliche Vorstellung in unserem Kopf entsteht.
Von architektonischen Räumen und Grenzen sowie von den daraus resultierenden Zwängen handeln die Beiträge von Julia Tschorschke und Linda Weihreter. Die Befreiungsfantasien der Letzteren beschränken sich auf vier kleine Löcher, die sie in die Kusthaus-Wände gebohrt hat. Die stets und überall eher willkürlich konstruierten gesellschaftlichen Räume thematisieren eine Geräusch-Installation von Julia Frischmann und dekorativen Plastiktüten-Faltungen von Marie Luncz-Turneau.
All das wirkt ungemein kühl kalkuliert. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen Leidenschaft, Spontaneität und Unbedingtheit als typische Eigenschaften junger Kunst galten. Die Foto-Serie „Was bleibt“ von Marianne Vordermayr sorgt dafür, dass jene Eigenschaften dennoch an einer Stelle der Ausstellung aufscheinen. Vordermayrs Bilder sind ein Versuch, die unkonventionelle Lebensform ihrer Großmutter (!) festzuhalten.
Bernd Zachow, Nürnberger Nachrichten 23. März 2010