Das Kunsthaus hat Löcher bekommen
Das Unscheinbarste und spannendste Werk zugleich hat Linda Weirether geschaffen: Ihr Beitrag zur Ausstellung »Landscapes of Time« sind vier große Löcher in den Wänden des Kunsthauses.
»Das war gar nicht so einfach«, berichtet die Studentin der Kunstakademie (Klasse Heike Baranowsky und Judy Price) von der Realisierung ihrer schräg gebohrten Gucklöcher: »Das Haus ist teilweise denkmalgeschützt, und dann musste tatsächlich ein Bohrunternehmen kommen«. Was passiert nun, wenn man in die Löcher blickt? Manchmal sieht man ein Auge – weil auf der anderen Seite auch gerade jemand durch die Wand schauen will. Die Grenzen des Raumes werden so natürlich aufgehoben. Aber vor allem sieht man die ganze Ausstellung aus anderen Blickwinkeln, denn durch Lindas Gucklöcher erblickt man Ausschnitte von den Werken ihrer Kommilitonen. Und was haben die sich so zum Thema gemacht?
»Kunst ist ein Ersatz für die Natur«, so erfrischend uneitel formuliert der Kunststudent Michael Seidner. Und den Gipfel der Künstlichkeit erreicht der moderne Mensch, indem er Tiere im Internet bestellt: »Ich habe auf e-Bay gesehen, dass man einen präparierten Fuchs ersteigern kann. Hat nur 20 EURO gekostet.« Die rechte Hinterpfote ruht auf einem Ei, weil der Fuchs sonst die Balance verliert. »Außerdem ist bald Ostern«, sagt Michael Seidner. Und bei der gestrigen Vernissage gab es eine Performance mit Hühnern. Auch gut zu wissen: Der Fuchs ist zwar tot, aber das Ei ist bio.
Von »Türkenkoffer« zur Haute Couture führt Marie Luncz-Turneuas Weg durch »soziale Landschaften«, wie sie das Ausstellungsthema interpretiert. Aus Plastik-Transporttaschen hat sie Mode geschaffen, die an Origami-Figuren erinnert. Blusen und Schürzen in der Form eines Bootes oder eines flüsternden Mundes: Erstaunlich, was aus Gebrauchsgegenständen entstehen kann, für die der Volksmund nur abfällige Worte wie »Russentasche« kreiert.
Neben ambitionierten Collagen und Video-Installationen stechen die klaren Fotografien von Marianne Vordermayr heraus. Sie zeigen als Landschaften des Alltags das häusliche Umfeld ihrer Großmutter. Es ist typisch für diese Generation der Sparsamkeit und Sorgfalt. All die kleinen Dinge, die sonst niemand beachtet, wirken hier farbenfroh und fein arrangiert – was sie nicht sind, wie die Fotografin betont. Dennoch gelingt ihr das Kunststück, die Poesie eines Putzeimers einzufangen. Sauber.
Erik Stecher, Nürnberger Zeitung, 18. März 2010