Facettenreich und hochkarätig: Die Ausstellung zum 17. NN-Kunstpreis lockt mit vielen Überraschungen
Der „Kunstpreis der Nürnberger Nach richten", der bereits zum 17. Mal verliehen wird, gehört zu den höchstdotierten Auszeichnungen in Nordbayern. Einschließlich der diesjährigen Verleihung summieren sich die seit 1993 vergebenen Preisgelder auf 515000 Euro. Der traditionell für Malerei, Skulptur und Originalgrafik ausgelobte Wettbewerb für Kunstschaffende, die aus Franken stammen oder hier leben und arbeiten, wurde 2009 erstmals um den Bereich künstlerische Gold- und Silberschmiedearbeiten erweitert.
Auch in diesem Jahr besteht der NN-Kunstpreis wieder aus drei Hauptauszeichnungen: Den mit 8500 Euro dotierten 1. Preis erhält der Maler Günter Paule. Der 2. Preis (5500 Euro) geht an den Maler Mathias Otto, mit dem 3. Preis (3000 Euro) wird die multimedial arbeitende Künstlerin Ursula Kreutz ausgezeichnet. Weitere NN-Kunstpreise in Höhe von jeweils 2000 Euro erhalten Lotte Funke, Birgit Bessert, Anna Katharina Lang, Peter König und Elisabeth Krampe. Den mit 8500 Euro dotierten Sonderpreis des Verlegers der Nürnberger Nachrichten, Bruno Schnell, bekommt der Maler und Zeichner Rainer Funk.
Die Ausstellung, die heute im Nürnberger Kunstbaus (Königstraße 93) eröffnet wird, präsentiert insgesamt 125 Arbeiten von 96 Künstlerinnen und Künstlern, darunter 34 Erstteilnehmer. Da der Besucherandrang am Eröffnungsabend in den letzten fahren kaum noch zu bewältigen war, gibt es diesmal eine Einlasskontrolle. Zugang zur Preisverleihung ist nur mit Einladungskarte und nach vorheriger Anmeldung möglich.
Preisverdächtig ist inzwischen auch das Kunsthaus-Team um Joachim Bleistein. Das hat mit der Einrichtung der diesjährigen Ausstellung zum AW-Kunstpreis ein eigenes Meisterwerk vollbracht: 125 Arbeiten auf 400 Quadratmetern unterzubringen, bedeutet einen logistischen Kraftakt, der beeindruckend gelungen ist. Auch wenn die Kunst zwangsläufig eng zusammenrückt, offenbart die kontraststarke Schau doch nachhaltig das weite Spektrum, die Qualität und die Vitalität der regionalen Kunstszene.
Die erstmals zum Wettbewerb zugelassenen Gold- und Silberschmiede erweitern die Ausstellung dabei um eine buchstäblich glänzende Facette. Die im Gang präsentierten Schmuck- und Tischgerät-Werke bestechen durch handwerkliche Meisterschaft, Formvielfalt und Eleganz und kommen auch gerne schön verspielt daher. So wie Johannes Borsts originelles „Tischfeuerwerk" oder Anna Katharina Längs kunstvoll vernähte organische Formgebilde aus farbigem Leder und weicher Polyesterfüllung. Die sind als Halsschmuck gedacht, verführen aber vor allem zum Anfassen - echte „Schmeichel"-Stücke.
Viel frischer Wind
Doch nicht nur die Gold- und Silberschmiede sorgen für frischen Wind. Mit insgesamt 34 Erstteilnehmern unterstreicht die Jury unter Vorsitz von Curt Heigl das Ziel des NN-Kunstpreises, gerade auch die jungen Künstlerinnen und Künstler in der Region zu fördern. „Debütantin" Ursula Kreutz erhielt auf Anhieb den 3. Preis. Ihr Wandobjekt „bunter Raum" wartet mit einem verblüffenden visuellen Effekt auf. Das Werk besteht aus einem Fotodruck mit einem kaum dechiffrierbaren bunten Formenallerlei, davor ist ein Chiffongewebe gespannt, auf dem das Hintcrgrundbild - leicht verschoben — nochmals erscheint. Wer die Arbeit aus einigem Abstand betrachtet, erlebt eine fast explosionsartige Dynamisierung des Bildraums.
Nach wie vor am stärksten vertreten aber ist die gegenständliche Malerei, die schon im Foyer mit Changmin Lees weißem Affen einen starken Auftritt hat. Sowohl die Newcomer als auch die guten „alten" Bekannten beweisen ein Faible für spannende, poetische oder doppelbödige Bildgeschichten und befeuern sich durch eine absichtsvoll freche Hängung manchmal sogar gegenseitig: Da scheint das witzig-behende, fliehende Wildschwein-Paar von Youngster Matthias Dietz (Jahrgang 1985) der Grund für das Erschrecken der derangierten Gastgeberin auf Manfred Hürlimanns Gemälde nebenan zu sein.
Auffällig viele Maler lockt es auf nächtliches Terrain: Mathias Otto, Spezialist für subtil beleuchtete „Nachtaufnahmen" urbaner Alltagsorte, zeigt einen Blick in die leergeräumte „AEG Werkhalle": In die tiefschwarze Dunkelheit fällt durch die linke Fensterfront warmes Licht wie ein trügerischer Zauber. Ein anziehendes und zugleich beunruhigendes Bild, das man als Kommentar auf den Niedergang der Nürnberger Industrie lesen kann und für das Otto mit dem 2. Preis ausgezeichnet wird.
In Petra Krischkes venezianischer „Nacht-Geschichte dagegen würde man selbst gerne mitspielen. Die farbglitzernden Szenarien ihrer fünf kleinformatigen Bildtafeln lassen an Krimi ebenso denken wie an romantisches Abenteuer. Auch Expeditionsmaler Gerhard Rießbeck zeigt seine Eisberge diesmal in blau-schwarzer Nacht und gibt ihnen die Anmutung eines grandiosen Bühnenbildes.
Als schönen Kontrast zu den Dunkelbildern zieht Jörg Schemmann den Blick weit hinauf in den blauen Himmel, bei Ursula Jüngst kann er sich am sanft bewegten Farbrausch „gestreichelter Meere" weiden - und bei Rainer Funk taucht er ab in sattestes Grün. Funks Diptychon „Tropenwald" hat eine magische Sogkraft, die auf dem linken Gemälde von einem fernen Schimmer ausgeht. Auf der rechten ist dieses farblodernde Unbekannte nah herangerückt, scheint sein Geheimnis fast preiszugeben. Mit aller Macht ist der Künstler zur lange verbannten Farbe zurückgekehrt und schafft ein großartiges Bilderlebnis, für das er den Sonderpreis des NN-Verlegers, Bruno Schnell, bekommt.
Verblüffend und faszinierend
Es gibt noch ein anderes Waldbild, das verblüfft, fasziniert, dessen rotlodernde Stämme ihre stoffliche Textur durch das Abflexen der Farbschichten enthüllen und zugleich wie eine Wasserspiegelung anmuten. Das Bild stammt von Günter Paule, und auch wer den Maler der schwarzen und roten Sonnen gut kennt, dürfte von diesem Werk ebenso überrascht wie gefesselt sein. Paule erhält dafür den 1. Preis.
Hinter der malerischen Fülle treten die Arbeiten der Zeichner und Bildhauer zwar etwas zurück, doch verdienen sie nicht weniger Aufmerksamkeit. Etwas vom Glimmen der Paule'schen Sonnen scheint bei Birgit Bossert aufgehoben. Mit Farbstift auf Fotokarton schafft sie quasi monochrome, vibrierende Farbflächen, die von innen heraus zu leuchten scheinen. Aja von Loeper beeindruckt erneut mit ihren deckenhoch gehängten Papierreliefen, denen sie durch eine ungemein aufwändige Technik die Anmutung schwarz-weißer Baumrinden verleiht. Und auch bei den Menschenbildern sorgen die Zeichner für Kontraste. Während Yvonne Degrells leicht verwischte Tusche-Porträts zwei junge Frauen zeigen, die ein bisschen entrückt und ganz bei sich scheinen, zwängt Peter Konig seine metallisch glänzenden übergroßen Köpfe in das Räderwerk der Maschinen.
Schmunzeln macht Volker Krischkers kinetische Bodenskulptur, ein riesiges Papierknäuel, das das „Potenzial einer verworfenen Idee" verkörpert und angstvoll zittert, wenn man ihm zu nahe tritt. Erstaunlich lebensnah wirken Eva-Maria Mandoks Zeitungsleser aus Pappmache, und Babis Panagiotidis großes Schaukelpferd entpuppt sich als Gestalt gewordener „Trojaner" aus PC-Tastaturen und mit einem Schweif aus Kabeln.
REGINA URBAN
NN