Gelungene Kunsthaus-Schau zum Dürer-Projekt
NÜRNBERG - Unter dem Titel «Lebt und arbeitet in...« reiht sich das Kunsthaus mit einem eigenen Ausstellungsprojekt in den Veranstaltungsreigen zur 500- Jahr-Feier des Albrecht-Dürer-Hauses ein. Insgesamt 19 Künstler, zur Hälfte in Nürnberg lebend, zur Hälfte weggezogen, setzten sich mit der Frage auseinander, unter welchen Bedingungen Kunst hier und heute entsteht.
Die Gefahr, dass aus dem Kunsthausprojekt eine Nabelschau samt Wehklagen über den Kunstbetrieb wird, hat offenbar zu keinem Zeitpunkt bestanden. So vielfältig sind die Statements, so unterschiedlich die Ansatzpunkte und Herangehensweisen, dass eine wirklich spannende, lebendige und anregende Ausstellung gelungen ist – immer nah am jeweils eigenen Künstler-Erleben, aber auch darüber hinaus weisend. Sogar wo sich die Beiträge auf den Mikrokosmos des heimischen Ateliers beschränken – wie bei Stefanie Pöllot oder Gerlinde Pistner –, spielt mehr mit als nur der Blick aufs eigene Ich.
«Do-it-yourself-Inszenierung von King Kong«
Auch Jörg Obergfell, der sich im selbstgenähten Stoffstreifen-Fell als «Do-it-yourself-Inszenierung von King Kong« in fernen Metropolen hat ablichten lassen, erzählt vom gelegentlichen Exotismus des Künstlerdaseins genauso wie vom allgemeinen Gefühl der Fremdheit in der Anonymität moderner Großstädte. Im selben Raum präsentiert Gisela Kleinlein, die Prominenteste im Bunde, ihre künstlerischen Materialien als «Haufenbildung« auf dem Boden. Übereinander geschichtete Ringe aus zerschnittenen Dachpappen und Resopalplatten, eine Metalltonne, zerquetscht aus dem Meer gefischt und weiß angestrichen, türmen sich da als Vorboten der entstehenden Kunst auf. Gezielt fragt Kleinlein hier nach der Grenzziehung zwischen unfertigem Rohstoff und fertigem Werk.
Dass die Kunst keinen Ort braucht, sondern Idee und Bewegung ist, solche konzeptionellen Ansätze verfolgen Andrea Spreafico und Michl Schmidt, der einen Dolly für Kamerafahrten auf sein altes Fahrrad montiert hat. Sinnigerweise ein Relikt aus der einstigen Fahrradmanufaktur «Albrecht Dürer«. Auch Ulrich Emmert erweist dem Meister seine Reverenz und hat dessen Atelier im Kartongehäuse nachgebaut. Die museale Inszenierung erweist sich jedoch alsbald als Abgesang auf die jüngere Nürnberger Geschichte – aus Emmerts Sicht keine Erfolgsstory.
Auf der Suche nach Heiner Schwitzke
Auf Spurensuche nicht nach Dürer, sondern nach einem gewissen Heiner Schwitzke haben sich die «Weltanschauungsbeauftragten« Martin Fürbringer und Philipp Moll gemacht. Kleine Holzfiguren, Familienfotos und eine Kurz-Biografie führen den Besucher auf die (falsche?) Fährte eines wahrhaft dramatischen Künstlerlebens. Die fraglos gewitzteste Arbeit dieser Ausstellung wirft zugleich die durchaus ernste Frage auf, ob Künstler womöglich erst dann Bedeutung erlangen, wenn sie Geschichte und nicht mehr greifbar sind.
Im Kopfbau des Künstlerhauses zeigt Helmut Kirsch markante Beispiele seines malerischen Schaffens, das er seit zwei Jahren auch in Videoarbeiten mit eigenen Soundcollagen überführt. Kirschs Beitrag verführt zur sinnlichen Bildbetrachtung – und ist zugleich das trotzige Statement einer künstlerischen Selbstbehauptung: Zu den elektronischen Medien kam er erst, nachdem seine Malerei mangels Neuigkeitswerts bei Ausstellungsbewerbungen ausjuriert wurde.
R.U.
NN