Nürnberger Zeitung, 25. Februar 2009
Städtefreundschaft nimmt Fahrt auf
Nürnberg und Prag – auf den ersten Blick eine ideale Beziehung: Zwei Städte in der Mitte Europas, die auf eine große Vergangenheit zurückblicken, die einen großen Beitrag zur Kunst- und Kulturgeschichte geleistet haben und die schon vor vielen Jahrhunderten enge Beziehungen pflegten. Dank des durchgehenden Ausbaus der Autobahn sind sie nun auch noch optimal miteinander verbunden, und dank des Eintritts Tschechiens in die EU fallen auch zeitaufwendige Grenzkontrollen weg.
Dennoch hat es einige Zeit gedauert, bis die mittlerweile schon fast 20-jährige Städtepartnerschaft wieder Fahrt aufnahm: Ein Grund dafür mag sein, dass die "Goldene Stadt" mit Freundschafts-Offerten von den größten Metropolen der Welt geradezu überhäuft wurde. Doch mittlerweile entwickelt sich gleich ein ganzes Bündel an aktuellen Partnerschafts-Projekten zwischen Franken und der tschechischen Hauptstadt. Eins davon wird heute Abend im Kunsthaus der Öffentlichkeit vorgestellt: Es ist die Ausstellung "Im Querschnitt", die zeitgenössische Kunst aus beiden Städten präsentiert. Bis zum 15. März sind hier vier gemischte "Künstler-Doppel" zu sehen, deren Werke Individualität, aber auch erstaunliche Gemeinsamkeiten offenbaren.
Ausstellung kam in Prag sehr gut an
Dass es solche Parallelen zwischen den beiden Städten schon sehr lange gibt, ist historisch bestens belegt. "Das 14. Jahrhundert liegt aber schon weit zurück, aus diesem Grund haben wir uns auf die Gegenwart konzentriert", merkte die Projektleiterin Magdalena Zivna von der Prager "Agentur für internationale Kommunikation" an. Offenbar mit Erfolg, denn als die Kunstwerke schon in Prag zu sehen waren (im prächtigen Rahmen des barocken Clam-Callas-Palastes) war die Resonanz bereits sehr groß.
Nun treffen im Kunsthaus etwa die großformatigen und farbenfrohen Bilder Peter Angermanns mit ironisch-surrealistischen Gemälden von Xenia Hofmeisterova zusammen, auf denen sich etwa grellbunte Pilze im Atelier der Künstlerin ausbreiten. Weitere "Paare" sind Hubertus Hess und Zdenek Beran, Peter Kampehl und Vladimir Kokolia sowie Veronika Bromovo und Pirko Julia Schröder. Während sich die Prager Foto- und neuerdings auch Videokünstlerin Bromovo mit dem Stilmittel der Verfremdung in ägyptisch-mystische Gefilde begibt, beweist ihre Nürnberger Kollegin ein Auge für skurrile Gegensätze in der Heimatstadt: Sie baute als täuschend echtes 1:1-Modell eine Duschkabine nach, die einst zum Inventar eines in einer noblen Gründerzeitvilla beheimateten Freudenhauses diente.
"Im Dialog miteinander entsteht auch etwas Neues, Einmaliges, das hoffentlich neugierig macht auf mehr", heißt es im Ausstellungs-Pressetext, und diese Hoffnung scheint auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein: Elisabeth Macht vom Amt für Internationale Beziehungen berichtet von etlichen neuen Nürnberg-Prag-Initiativen, die seit 2008 fast schon wie Xenia Hofmeiserovas Pilze aus dem Boden schießen: So wurde ein Abschnitt des Paneuropa-Radweges zwischen den beiden Städten eröffnet, mehrere Schulen streben Partnerschaftsprojekte an, und auch die beiden Stadtarchive wollen den gegenseitigen Austausch vorantreiben.
"Bereits seit Anfang der 90er Jahre wurde in Prag wieder damit begonnen, an die Traditionen der deutschsprachigen Kultur anzuknüpfen", berichtete Magdalena Zivna gestern. Dies sei auch eine Rückbesinnung auf die "Drei-Kulturen-Stadt" Prag, die von tschechischen, deutschen und jüdischen Traditionen geprägt worden sei. Auch noch in den Jahren nach 1933 sei Prag zu einem Sammelbecken von deutschsprachigen Exil-Autoren geworden, die sich auf der Flucht vor dem Hitlerregime befanden. Eine Anknüpfung an solche Traditionen ist etwa das deutschsprachige Prager Theaterfest, das seit 1996 wieder jährlich stattfindet. Weitere Gemeinsamkeiten lassen sich am besten "vor Ort" ausmachen – schließlich ist eine Reise nach Prag kürzer als ein Trip in die Bundeshauptstadt.
Clemens Helldörfer