Sind Egoisten die besseren Menschen?

Ausstellung des Künstlerbundes Schwabach im K 4

Egoisten haben ein schlechtes Image. Zu Unrecht? Ihre Bilder und Erzählungen sind jedenfalls interessant und sympathisch: Das Kunsthaus zeigt seit gestern die Ausstellung «35 Egoisten – 35 Sichtweisen». Die Selbstbeschreibung des Künstlerbundes Schwabach als Zusammenschluss von Egoisten hat schon Tradition. «Egoisten sind ehrlicher als Gutmenschen. Bei denen dauert es länger, bis man sie durchschaut», sagt der Maler Hans Vitus Gerstner.

Er gehört zur Minderheit der echten Schwabacher im Künstlerbund, dem etliche namhafte Nürnberger angehören. Wie Manfred Hürlimann, ebenfalls ein bekennender Egoist: «Ein Künstler kann nur ein Egoist sein – weil er seine Welt vertritt.» Der Vorsitzende Wolfgang Harms ergänzt: «Wir haben aber die Toleranz, andere Sichtweisen zu respektieren.» Er verweist darauf, dass der Künstlerbund letztes Jahr 60 Jahre alt wurde: «Ein stolzes Alter für einen Verein, dem überwiegend ausgeprägte Individualisten angehören.» Und was präsentieren sie uns nun im K 4, die vereinten Egoisten?

Vielfalt. Eine bunte Mischung mit wenigen Durchhängern und vielen Höhepunkten. Wie das hölzerne Familienportrait «Mother’s finest» des Bildhauers Clemens Heinl. Darin erkennt sich jeder wieder, dem das Posieren für Familienfotos ein Graus ist: Mit gütiger Strenge hat Mutti ihre Liebsten um sich geschart, die unbedarft bis genervt aus der Wäsche gucken. «Man muss für Fotos ,heiße Scheiße’ oder ,Coca Cola’ sagen, das verleiht dem Gesicht einen besseren Ausdruck – aber den Trick kennen sie nicht», scherzt Heinl über seine Figuren aus Pappelholz.

Manfred Hürlimann hat Freude daran, den Betrachter in die Irre zu führen. So malt er einen vermeintlich klassischen Bacchus mit Gespielin – nein, doch nicht: Auch der Weingott ist eine Frau, ganz eindeutig sogar. Allein durch die Pose und den Bildaufbau erzeugt Hürlimann eine Erwartungshaltung, die er dann umso wirkungsvoller erschüttert. Oder er platziert ein streitlustiges Paar im Restaurant so, dass der Herr nur auf einem kleinen Zusatzbild unterkommt. Doch der Sicherheitsabstand wird den Zusammenprall kaum dämpfen, der sich da anbahnt.

«Durch die Blume sagen – so lautete der ursprüngliche Titel», erzählt Hürlimann. Doch mit der Zweiteilung des Bildes fiel die Tisch-Blume zwischen der feinen Dame und dem gepflegten Herrn weg. Was bedeutet: Die Aussprache wird direkt. «Von Angesicht zu Angesicht» heißt das Bild jetzt. Und die beiden würden sich am Liebsten gegenseitig ins Gesicht springen. Mit viel Dynamik, aber harmonischen Übergängen hat Ursula Jüngst ihre Farbkompositionen aufgebaut: Im meterlangen Bild «Agamemnon» versinkt der Betrachter in Unterwasserwelten oder lodernden Flammen – er muss sich nur darauf einlassen.

Mit seinen Nürnberger Nachtbildern auf schwarzem Stoff erinnert Hans Vitus Gerstner unter anderem an das einst größte Lichtspielhaus Europas: Er setzt dem 1972 abgerissenen Phoebus-Kino am Hauptbahnhof ein Denkmal.

Ein Mahnmal hat Hanspeter Widrig entworfen: Er zeigt sein Modell «Deportierter Nachbar», das beim Wettbewerb für eine Holocaust-Gedenkstätte in Wien «nur» den dritten Platz belegte. Eindrucksvoll, bewegend und durchdacht ist es – vielleicht einfach zu aufrüttelnd für den öffentlichen österreichischen Raum.

Kunsthaus im K 4, Königstraße 93, Di.–So. von 13–18 Uhr.

Erik Stecher

NZ, 15.1.2009

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