Netz der Medusa

Die Ausstellung »ArtWeb2000« im Nürnberger KUNSTHAUS

Bei »www.einsamkeit.com.br« wird der Server wahrscheinlich eine Fehlermeldung liefern. Trotzdem ist die Adresse allgegenwärtig im Netz der Netze. Daher hat Siegbert Franklin auch eines seiner Bilder so genannt. Denn für den brasilianischen Künstler bringt das web der Poesie den Tod.

Solch durchaus kritischer, dann aber auch wieder unbekümmerter Blick auf das Medium prägt eine Ausstellung, die ab Sonntag im KUNSTHAUS Nürnberg zu sehen ist. Anlässlich des 10-jährigen Bestehens des deutschbrasilianischen Kulturvereins »Ponte Cultura« (wir berichteten) dokumentieren vier Künstlerinnen und Künstler, Motto »ArtWeb2000«, ihre Auseinandersetzung mit der digitalen Welt.

»Installation Babel«

Seine Skepsis gegenüber dem www-Dschungel formuliert Franklin mit seinen traditionellen Mischtechnik-Arbeiten und einer Foto-Serie, die den Menschen als sich auflösende Bildschirm-Erscheinung zeigt. Das Kontrastprogramm zu dieser »Installation Babel« liefert der brasilianische Künstlerkollege Fernando Durao. Er spielt mit der Hard- und Software, lässt eine Parade von PC-Mäusen gen WorldWideWeb streben oder ordnet Disketten und CD-ROM-Scheiben zu konstruktiven Materialbildern. Eine eher dekorative »ArtWeb«-Position.

Die beiden deutschen Künstlerinnen Stefani Schneider und Marianne Stüve gehen das Thema vielschichtiger, reflektierender an. Neben dem obligatorischen Online-Beitrag zeigt Schneider nicht nur per PC transformierte Ab-Bilder von Händen und Vogelfedern, sondern gibt auch - mit einem Web-Seiten-Mobile - eine Ahnung von der labyrinthischen Beschaffenheit des Netzes, in dem, welcher User wüsste es nicht, »die Datenflut schnell zum Datenmüll« wird.

Marianne Stüve schließlich hat den Web-Wahn poetisch konterkariert, das Leitungs- und Datengewebe symbolisch aufgedröselt zu Nylonfäden. Die führen hinab in den Keller, formen sich dort als »Ball der Medusa« zu zarten, magisch beleuchteten Objekten. Die Realität des Internets freilich ist bekanntlich weit weniger ästhetisch. Dass die Kunst da immer noch auf der Suche nach adäquaten Antworten auf dieses Phänomen ist, lässt sich auch in der »Ponte Cultura«-Ausstellung nicht übersehen.

Von: MICHAEL BECKER, Quelle: Nürnberger Nachrichten

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