So extensiv sein Leben, so expressiv und radikal war seine Kunst: Blalla W. Hallmann sorgte nicht nur im katholischen Bayern für Schlagzeilen, sondern erregte auch in Köln und Berlin ebenso wie in San Francisco die Gemüter, die sich von einem "Schweinchenaltar" oder einem "Jesus am Kreuz", der aussah wie Mickey Mouse, verletzt fühlten. Seine bösartige Kunst scheute vor keiner Provokation zurück. Nichts war ihm heilig und niemand war vor ihm sicher – ein Berserker, der an sich selbst und an der Welt zugrunde ging. Nach seinem Tod 1997 verfügte er, dass fünf Jahre lang nichts von ihm ausgestellt werden dürfe. Jetzt reicht das KUNSTHAUS Nürnberg dem Künstler Wolfgang Hallmann, der seines unorthodoxen Stils wegen schon auf der Nürnberger Akademie "Blalla" genannt wurde, die erste Retrospektive nach.
An die 100 Gemälde, Zeichnungen, Drucke, Hinterglasbilder, Sklupturen, Installationen und Assemblagen versammelt die Ausstellung, die einer ersten großen biografischen Publikation des Verlags für moderne Kunst Nürnberg zur Frankfurter Buchmesse im Herbst vorausgeht. Sie zeigt in immer noch drastisch wirkenden Beispielen, dass des Künstlers Wüten gegen Kapital und Klerus, Krieg und Kunst, gegen Hitler, Papst und Teufel immer noch auf ein Heute bezogen werden kann, dem Krieg und Folter, Massenmord und Menschenrechtsverletzungen zum Alltag geworden sind.
Den Künstler Hallmann, 1941 in Schlesien geboren, verschlug es nach Lehrjahren auf der Hochschule für Bildende Künstle in Düsseldorf, auf die Akademie in Nürnberg, das ihm nach Aufenthalt in Berlin, Köln, Wörzburg und San Francisco (wo er wegen Drogenmissbrauch ausgewiesen wurde), immer wieder Zufluchts und (psychiatrische) Heilstätte wurde. Als Künstler alles andere als ein "akademischer Maler" war er von einem Furor besessen, der sich in expressiven Bildern artikulierte, die Elemente des Comic-Strip genauso aufgriffen wie sie in der Malweise auf Hieronymus Bosch wie auf Dürer, auf George Grosz wie auf Otto Dix rekurrierten und sich im surrealistischen Repertoire ebenso bedienten wie im Realismus oder in der Karikatur.
Bildtitel wie "Im Himmel ist die Hölle los" oder "Ein Tod folgt dem anderen" verweisen auf die durchaus religiösen, dabei extrem antiklerikalen Tendenzen Hallmanns, dessen sexuelle Obsessionen in ihre künstlerischen Visualisierung bis an die Schmerzgrenze des Erträglichen gehen, zumal dann, wenn sich religiöse Motive mit pornografischen details (Vulva und Vulgata) in sarkastisch-perversen Bildfindungen zu derben Darstellungen vereinen. "Herr, mir reichts!" ist nicht nur ein gekreuzigter Jesus genannt, dem speiübel ist, sondern könnte auch über "Blallas" psychopathologischem Künstlerleben stehen, das ihm dann den frühen Krebstod bescherte – kurz nach Vollendung seiner biografischen Linolschnittserie "Der Weg, die Wahrheit und das Leben".
Friedrich J. Bröder
Bayerische Staatszeitung vom 10. Juni 2005