Pirouetten auf Dürers Rasen

Die Ausstellung »Paarlauf« im Nürnberger KUNSTHAUS zeigt fränkisch-hanseatisches Teamwork

Der »Paarlauf« führt über holpriges Kopfsteinpflaster und durch grelle Lichtkanonen, in Künstlerateliers wie Körperwelten und dreht geistige Pirouetten auf Dürers Rasenstück: Sieben hanseatisch-fränkische Duos haben sich für eine Ausstellung im Nürnberger Kunsthaus zusammengetan - und beweisen, dass Teamwork auch auf die Ferne funktionieren kann.

Bindeglied zwischen Hamburg und Nürnberg und Ideengeber des Projekts ist Werner Schaarmann, den es vor einigen Jahren aus Franken an die Alster zog. Er selbst geht mit Bildhauerin Michaela Biet ins Rennen und dürfte von den Wertungsrichtern, sprich dem Publikum, für die dargebotene Paarleistung Höchstwerte erhalten. Seine fotografische Fußspurensuche in der 1945 zerstörten polnischen Stadt Küstrin geht wunderbar mit Biets Steinskulptur zusammen: Aus einem grauen Block hat sie drei Bohrkerne entfernt und daraus kleine Plastiken in organischen Formen gearbeitet. Die harmonischste Paarleistung geben Christine Nikol und Muriel Zoe Borchert ab. »Wir sind uns vom Strich her so ähnlich, dass ich bei manchen Bildern von ihr auf den ersten Blick denke, die könnten auch von mir sein«, sagt die Nürnbergerin Nikol. Sie hat ihr Atelier kurzerhand in die Ausstellung verlegt, wird vor Ort malen und zeigen, wie ihr Werk entsteht.

Das »stillste« Duo fand mit Lisa Metz-Ismail und Ute Kühn zueinander. Durch Metz-Ismails zarten Vorhang aus handgeschöpftem Papier blickt man auf Kühns monochrome Leinwände in Weiß und Orange. Das konträrste Gespann bilden in dieser Duo-Schau Hjalmar Leander Weiss und Siegfried Fuhrmann: Hier der abstrakte Maler mit seinen fast meditativen Bildern, dort der technikverliebte Künstler, der es rauschen, dröhnen, flimmern lässt. Zu jedem Bild von Weiss hat Fuhrmann einen seiner wundersamen Apparat gebaut und sorgt für spannende Kontraste.

Was Winfried Baumann und Anke Mellin in ihrer Arbeit verbindet, ist der soziale Aspekt, genauer gesagt das Thema Obdachlosigkeit. Baumann machte schon vor einiger Zeit mit der Entwicklung seiner - inzwischen auch real eingesetzten - Schlafcontainer für Wohnungslose auf sich aufmerksam.

Mellin wiederum hat »Menschen mit fester Wohnung« befragt, wie sie sich ein Leben ohne Dach über dem Kopf vorstellen und was sie am meisten vermissen würden. Jeder der Befragten erhielt einen kleinen »Holzhaus-Rohling«, den er gestalten sollte. Anregung gab es genug: Die Häuschen bekamen Mützen auf, wurden mit Draht umwickelt, einer Burg gleich auf tönerne Füße gesetzt oder angekettet. In Innenwelten haben sich dagegen Ute Köhler und Claudia Liekam gemeinsam aufgemacht. Gescannte Körper sind Basis ihrer beiden Bilder. Bernd de Payrebrune und Sybille Fredebeil fanden den kleinsten gemeinsamen Nenner ihrer Arbeit in der Kunstgeschichte: Dürer hält als Ideengeber her. Mit grünen Teppichstücken, Kunstrasen und Stoffecken pflanzt Fredebeil Dürers »Rasenstück« in die naturferne Jetztzeit. Pyrebrune lässt auf seinen Blättern AD-Blüten erblühen und setzt keck ein Perlhuhn auf Dürers Rasen. Es müssen also nicht immer Hasen sein

Birgit Ruf

Nürnberger Nachrichten

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