Die Ausstellung
Gemeinsam präsentieren Kunsthaus und Kunsthalle Nürnberg die internationale Gruppenausstellung Who’s Afraid Of Stardust? Positionen queerer Gegenwartskunst. Die Ausstellung präsentiert Werke von 30 Künstler*innen, die Aspekte queeren Lebens thematisieren und durch ihre spezifischen Sichtweisen auf soziale Machtstrukturen einen substanziellen Beitrag zur aktuellen Debatte über Diversität leisten.
Für den Ausstellungstitel stand David Bowies legendäre Kunstfigur Ziggy Stardust Pate: Kurze feuerrote Haare, ein experimentelles Make-up, hohe Schuhe und sexuell aufgeladene Bühnenshows: Mit dem Außerirdischen Ziggy Stardust schuf David Bowie 1972 eine weltberühmte Figur, die mit Geschlechterrollen und sexueller Identität spielte und zugleich eine zweigeschlechtliche und heteronormative Gesellschaftsordnung in Frage stellte. Damit verweist der Ausstellungstitel auch auf den für die queere Community zentralen Dualismus aus gesellschaftspolitischem Kampf sowie Pop und Glamour.
Wörtlich übersetzt heißt „queer“ so viel wie „schräg“ oder „seltsam“. Im englischen Sprachraum galt der Begriff lange Zeit als abwertende Bezeichnung für Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und/oder sexuellen Orientierung nicht der gesellschaftlichen Norm entsprachen. Doch seit den 1990er-Jahren erlebte der Begriff einen Aneignungs- und Umdeutungsprozess durch die Community. Sowohl als positive Selbstbezeichnung wie auch im Kontext eines wissenschaftlichen und politischen Aktivismus steht „queer“ heute selbstbewusst für alle, die sich nicht der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft zugehörig fühlen.
Mrzyk & Moriceau, Dans le bras de morphing, 2022
Gleich beim Eintritt in die Ausstellung trifft man auf die Animation Dans le bras de morphing des Künstlerduos Mrzyk & Moriceau. Die Videoarbeit zeigt eine scheinbar nicht endende Metamorphose. In linear aufeinanderfolgenden Wellen treffen Dinge einer allzu erstarrten Welt aufeinander, durchdringen sich gegenseitig und verschmelzen zu etwas Neuem: Nichts bleibt so, wie es mal war.
„One drawing a day keeps the doctor away!“ – diesem Motto folgend haben ...
Gang
Leigh Bowery/Fergus Greer
1980 hatte der damals 19-jährige Leigh Bowery (1961 - 1994) sein Heimatland Australien verlassen und war kopfüber in die pulsierende Clubszene Londons eingetaucht, wo er mit seinen extravaganten Outfits schnell zu einem der schillerndsten Grenzgänger der Club-, Mode- und Kunstszene wurde. Im Maximus Club veranstaltete er die legendären „Taboo“-Nächte, zu denen Gäste wie Boy George oder John Galliano erschienen. 1988 wurde er von dem Galeristen Anthony d’Offay entdeckt und zu einer Ausstellung eingeladen, für die er eine ...
Raum 1: Oliver Husain // Verena Issel
Oliver Husain
Beinahe lieblich erscheinen Oliver Husains Aquarelle Untitled (Croqs) und seine bunten Figurenspiele. Mit meditativ langsam wechselnden und von getragenen Klängen begleiteten Formkonstellationen erzeugt er im ersten Teil seines Films Foily Footlights (2022) eine Traumreise-Stimmung, die fließend entlang der Grenze zum Sentimentalen balanciert.
Dieser ästhetische Balanceakt hat vor allem in queerer Kunst durchaus Tradition. Beginnend bei Oscar Wildes ausschweifender ...
Verena Issel, Die Brüste des Tiresias, 2021
Die im wahrsten Sinne des Wortes mehrschichtigen Bilder in Verena Issels Rauminstallation Die Brüste des Tiresias (2021) sind zum Teil Szenenillustrationen des gleichnamigen surrealistischen Dramas von Guillaume Apollinaire (im französischen Original Les mamelles de Tirésias), veröffentlicht im Jahre 1917.
Inspiriert durch den griechischen Mythos um den blinden Wahrsager Tiresias, der durch göttliche Verwandlung sieben Jahre seines Daseins als Frau verbringt, erzählt Apollinaires absurdes ...
Raum 2: Otakar Skala // Hans Diernberger & Will Saunders // Cindy Sherman
Otakar Skala
In bewusster und reueloser Maßlosigkeit kombiniert Otakar Skala (*1996) in Haus of Skala (2020–2023) alle Facetten seiner überbordenden performancebasierten künstlerischen Praxis. Inspiriert durch die Postmoderne und in Titel und Teilen der Inszenierung angelehnt an die New Yorker Ballroom-Kultur der 1960er- bis 1980er-Jahre, hat sich der Künstler einen multimedialen Kosmos erschaffen, in dem er Elemente von Drag, Tanz, Kink und erotischer Performance zu einer Persona zusammenfügt, die sich ...
Hans Diernberg & Will Saunders
Das Projekt The Only Male Geisha beschäftigt sich mit Eitaro Matsunoya, der einzigen männlichen Geisha in Japan. Der Begriff der Geisha bezeichnet einen Beruf, der traditionell Frauen vorbehalten ist. Mit weiß geschminkten Gesichtern, kunstvoll hochgesteckten Frisuren und edlen Kimonos transformieren sich Frauen in jene Kunstfiguren, deren Aufgabe darin besteht, Gäste mit Liedern, Tänzen, Gesprächen und Spielen zu unterhalten.
Einosuke Hirose, dessen Geisha-Name Eitaro Matsunoya ist, lernte den Beruf der ...
Cindy Sherman
Seit den 1970er-Jahren basiert das fotografische Werk von Cindy Sherman (*1954) auf der zentralen Frage nach der Konstruktion von Identität sowie Möglichkeiten ihrer Transformation und Fiktionalisierung. Dabei zitiert die Künstlerin häufig Stereotypen des kollektiven Bildgedächtnisses, die in unserer medial geprägten Gesellschaft vielfach zu finden sind. Ihre Fotografien, auch die im Kontext der Ausstellung präsentierten frühen Arbeiten Untitled #109 (1982), Untitled #112 (1982), ...
Raum 3: Thilo Westermann // Chloe Sherman
Thilo Westermann
Brandon Elizares starb am 6. Februar 2012 im Alter von 16 Jahren durch Suizid in El Paso (Texas), nachdem er viele Jahre lang massives Mobbing ertragen hatte und ihm Mitschüler drohten, ihn wegen seiner Homosexualität zu ermorden. Leelah Alcorn erlebte sich in einem Jungenkörper gefangen und wurde von ihren Eltern mehrfach sogenannten „Konversionstherapien“ unterzogen, bis sie mit 17 Jahren ihrem Leben ein frühzeitiges Ende setzte, ebenso wie die gläubige Katholikin Alana ...
Raum 3
Chloe Sherman
Die Fotografien von Chloe Sherman (*1969) aus dem San Francisco der 1990er-Jahre sind in Europa wahrlich eine Entdeckung. Sie geben Einblicke in eine unabhängige, expressive und libertäre Welt, in der nach dem Ende des Kalten Krieges ein offeneres und emanzipierteres Leben möglich schien. Eine Welt der Gegenkultur, Selbstermächtigung, Freiheit und Neudefinition der Möglichkeiten. Der 1970er-Jahre-Feminismus hatte sich verändert und gestattete jungen (lesbischen) Frauen einen experimentelleren Umgang mit ihrer ...
Raum 4 Andy Warhol // Sabrina Jung // Harry Hachmeister
Andy Warhol, Factory Diary: Andy in Drag, 2. October 1981
Cleverer Kapitalist und gleichzeitig radikaler Konsum- und Medienkritiker – für beide Erzählungen über den im US-amerikanischen Pittsburgh geborenen Andrew Warhola (1928 - 1987), Sohn russinischer Einwanderer, lassen sich schlüssige Indizien zusammentragen. Der Grafiker, Illustrator, Verleger, Maler, Filmemacher, Musikproduzent und berühmteste Vertreter der Pop-Art bleibt in seiner Person rätselhaft leer, wenn man versucht, hinter die schillernde Fassade seiner feinziselierten Dandy-Persona zu blicken. Die Ausstellung ...
Sabrina Jung
Irritiert blickt man in die Gesichter auf den Fotografien aus der Serie Queers von Sabrina Jung (*1978). Es sind Porträts aus einer anderen Epoche, und doch lassen sie sich weder zeitlich noch räumlich exakt einordnen. Auch das Geschlecht der Abgebildeten lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Die Irritation ist ein Reiz, der zum intensiveren Hinsehen zwingt, zur Auseinandersetzung. Die Irritation ist ein Stimulus, eine Verunsicherung, letztlich eine Verwirrung. Sie verhindert, dass wir eine ...
Harry Hachmeister
Fotografien, Zeichnungen, Gemälde und Objekte entwickeln sich im Werk von Harry Hachmeister (*1979) parallel und bedingen sich vielfach gegenseitig. Im Ausstellungskontext kombiniert er seine Werke assoziativ: Es entstehen sorgsam inszenierte Rauminstallationen mit überraschenden Korrespondenzen und prägnanter Bildsprache.
Die Rauminstallation Hard Softies erinnert an ein Fitnessstudio oder Home Gym. Bunt glasierte Keramikobjekte, welche die Formen von Hanteln aufgreifen, spielen mit den ...