4.5. bis 7.6.2023

Als Konstantinos Gavras 1955 allein und mittellos in Paris ankam, hoffte er auf eine Zukunft, die ihm in Griechenland versagt wurde. Als Sohn eines Angestellten in Loutra Iraias, Arkadien 1933 geboren, wurde ihm wegen seines Vaters, ein Kommunist, der im Widerstand gegen die deutsche Besatzung aktiv war, der Zugang zu einer griechischen Universität verweigert. Konstantinos ging nach Paris an die Sorbonne, wo er sich zunächst in Literaturwissenschaft einschrieb, aber schnell durch Besuche in der Cinémathèque française seine Leidenschaft für den Film entdeckte und an die Filmhochschule Institut des Hautes Études Cinématographiques (IDHEC) wechselte. Als Assistent von René Clair, René Clément, Jacques Demy, Henri Verneuil, Jean Becker und Jean Giono entdeckte er die Kulissen des Sets.

Aus Konstantinos wurde Costa-Gavras – „der Bindestrich im Namen wurde hinzugefügt, um Verwirrung zu stiften“ (Gavras). 1965 stand er erstmals hinter der Kamera als Regisseur von MORD IM FAHRPREIS INBEGRIFFEN, einen Noir-Thriller, gefolgt von EIN MANN ZUVIEL (1967), einem temporeichen Drama um die Befreiung von Widerstandskämpfern im Zweiten Weltkrieg. Nach einer starken Politisierung 1968, drehte Costa-Gavras 1969 Z, „dem vom Standpunkt der Zuschauerresonanz vielleicht erfolgreichsten politischen Film der 1960er Jahre überhaupt“ (Ulrich Gregor) – er entwarf „die Anatomie eines politischen Mordes in einem Land mit fast faschistischen Zügen“ (Costa-Gavras), gewann dafür 1969 den Jurypreis in Cannes sowie einen Oscar und wurde zum international gefeierten Regisseur.

Gesellschaftskritik als roter Faden

Mithilfe der spannungsgeladenen Form des kommerziellen Films behandelte Costa-Gavras brisante politische Inhalte und etablierte das Subgenre des gesellschaftskritischen Politthrillers im Kino. 1970 folgte als Reflexion über den „Prager Frühling“ DAS GESTÄNDNIS, in dem er trotz seiner Verbundenheit mit der links-intellektuellen Szene in Frankreich eines der dunkelsten Kapitel der stalinistischen Doktrin schonungslos darstellte. Als unermüdlicher Verfechter der Menschenrechte behandelte er 1972 die Missstände in Uruguay mit DER UNSICHTBARE AUFSTAND. Mit DIE LIEBE EINER FRAU begab sich Costa-Gavras 1979 erstmals in die Gefilde des Melodrams, um sie dann schnell wieder zu verlassen und in sein meisterhaft beherrschtes Genre zurückzukehren. In VERMISST ließ er 1982 einen durchschnittlichen US-Amerikaner nach seinem Sohn im korrupten Südamerika suchen – Costa-Gavras wurde mit einer Goldenen Palme in Cannes und einem Drehbuch-Oscar belohnt. Seit den 1980er Jahren arbeitete Costa-Gavras immer wieder in den USA, doch seine gesellschaftskritische Position änderte sich nicht – seine Charaktere wurden differenzierter und ambivalenter. So entpuppt sich in VERRATEN (1987), ein sympathischer Farmer als Mitglied einer neofaschistischen Organisation, und in MUSIC BOX (1989) wird nach und nach klar, dass ein liebenswürdiger Großvater im Zweiten Weltkrieg an grauenhaften Kriegsverbrechen beteiligt war. In DER STELLVERTRETER (2002) stellt Costa-Gavras die Rolle der katholischen Kirche während des Zweiten Weltkriegs in Frage.

Weiterhin am Puls der Zeit

Aber nicht nur die Geschichte, sondern auch die Gegenwart nimmt der 90-Jährige, der seit 2007 wie schon von 1982 bis 1987 als Präsident der Cinémathèque française wirkt, immer noch bissig und engagiert unter die Lupe. In MAD CITY (1997) wird die Sensationslust der Medien seziert und DIE AXT (2005) schildert mit schwarzem Humor die Arbeitssuche eines Familienvaters.

Am Puls der Zeit ist Costa-Gavras auch mit seinen letzten Filmen: EDEN IS WEST (2009) erzählt von einem am Mittelmeer gestrandeten Migranten, LE CAPITAL (2012) von einem skrupellosen Bankmanager und in ADULTS IN THE ROOM (2019) zeichnet er die griechische Staatsschuldenkrise und die fragwürdige „Rettung“ des Landes durch die Partner der Eurozone nach.