Werkschau Claire Denis
Claire Denis (*1946) zählt zu den herausragenden Autor*innen des zeitgenössischen französischen Kinos. Ihre Filme werden seit fast 30 Jahren regelmäßig auf den Festivals in Cannes, Venedig, Locarno und Berlin präsentiert und von Kritikern weltweit geschätzt. Dennoch ist sie hierzulande einem breiteren Publikum weitgehend unbekannt geblieben. Nur ein Teil ihrer Filme fand den Weg in deutsche Kinos. Das Filmhaus präsentierte vom 1. bis 25. Juni 2017 in Kooperation mit dem Institut français eine umfangreiche Retrospektive mit 13 Filmen von Claire Denis, darunter mehrere Nürnberg-Premieren. Eine Dokumentation über die Regisseurin ergänzte das Programm. Alle Filme wurden in der untertitelten Originalfassung gezeigt, zum großen Teil als 35-mm-Kopien.
Claire Denis wuchs als Tochter eines französischen Kolonialbeamten in mehreren westafrikanischen Staaten auf und kehrte erst als Jugendliche an ihren Geburtsort Paris zurück. Ende der 60er Jahre nahm sie dort ein Studium an der Filmhochschule IDHEC auf, von 1974 bis 1987 arbeitete sie als Assistentin u.a. für Dusan Makavejev, Jacques Rivette, Costa-Gavras, Wim Wenders und Jim Jarmusch. Erst relativ spät realisierte Claire Denis ihre erste eigene Regiearbeit. Der autobiografisch grundierte Debütfilm CHOCOLAT – VERBOTENE SEHNSUCHT über eine Kindheit in den 1950er Jahren in der französischen Kolonie Kamerun lief 1988 vielbeachtet beim Festival in Cannes. Es folgten bis heute mehr als 20 Spiel- und Dokumentarfilme, darunter auch mehrere Kurzfilme und Arbeiten fürs Fernsehen.
Das Kino von Claire Denis zeichnet sich durch eine eigensinnige Ästhetik aus, in der Sinneseindrücke, Körperlichkeit und „musikalische Bilder“ den Vorrang vor konventionellen Erzählweisen erhalten. Ihre Geschichten erzählen sich weniger durch Dialoge als durch Blicke, Berührungen und Gesten, weniger durch prägnante Aktion als durch scheinbare Nebenszenen, weniger durch Konzentration auf einen Handlungsstrang als durch ein Nebeneinander vieler gleichgewichtiger Dinge. Man findet bei Denis eine andere filmische Empfindung, ein Gegenbild zum psychologischen Erklärdrama. Es gibt keine linear erzählten Geschichten, die Handlung ist nicht zielgerichtet, der Zuschauer wird weniger geführt als bei konventionellen Formen des Erzählens. In den besten Momenten scheint man dem Leben selbst zuzusehen.
Claire Denis’ Filme verhandeln Erfahrungen des Fremdseins in einer postkolonialen Welt, konfrontieren mit der Brüchigkeit sozialer, familiärer und politischer Strukturen. Sie umkreisen Figuren, die am Rande stehen, wortkarge Einzelgänger, Außenseiter, Neuankömmlinge, Heimatlose, Menschen, die sich nicht reibungslos anpassen – Fremde in vielerlei Hinsicht. Stets bleibt die Regisseurin solidarisch mit den marginalsten Figuren und belässt ihnen ihr Geheimnis. „Sie weigert sich hartnäckig, über ihre Figuren zu urteilen“ charakterisierte Jim Jarmusch ihre Filme.
Claire Denis versteht Kino als freundschaftliche Gemeinschaftsarbeit unter langjährig Vertrauten. Dazu gehören Schauspieler*innen wie Alex Descas, Grégoire Colin, Béatrice Dalle und Michel Subor, die Kamerafrau Agnès Godard, mit der sie seit dem Studium in den 70er Jahren zusammenarbeitet, sowie die Tindersticks, die seit den 90er Jahren ihre melancholischen Balladen für Claire Denis’ Filme komponieren. Agnès Godard und Alex Descas wirken auch in Denis’ neuesten Film mit, der am 18. Mai in Cannes uraufgeführt wurde. UN BEAU SOLEIL INTÉRIEUR, mit Gérard Depardieu und Juliette Binoche in den Hauptrollen, stand wenige Wochen nach der Weltpremiere für dieses Programm noch nicht zur Verfügung.
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