Hommage an Michael Ballhaus
Michael Ballhaus war ein Augenmensch. Dem visionären Kameramann waren die Augen zentrales Sinnesorgan und wichtigstes Werkzeug, er hat mit seinen Augen gelebt und gearbeitet. Und sich durch sie erinnert: „Es sind die Farben, die bleiben, die Gesichter, das Leuchten, weißer Lichter in einer dunkelblauen Nacht. Manchmal rundet sich das alles zu einer Geschichte, manchmal bleiben nur ein paar Momente, in denen das Licht gut war und eine Wahrheit sichtbar wurde.“
In Lichtern und Farben denkend, Nähe und Intensität herstellend zwischen den Blicken der Schauspieler und denen der Kamera, Gestik und Mimik verdeutlichend, Gesichter modellierend in den Einstellungen, Anschlüsse vorausdenkend: Michael Ballhaus war ein Meister darin. Er beleuchtete die Welt, hat die Schauspieler und seinen Beruf geliebt. Die Arbeit mit den Regisseuren verstand er als Partnerschaft, immer bereit, Neues auszuprobieren und sich in den Dienst der Erzählung und des bestmöglichen visuellen Ergebnisses zu stellen. Für ihn offenbarte sich das Wesen des Films in den Bewegungen, in den Fahrten, Flügen, Schwenks der Kamera. Er arbeitete mit zahlreichen Regisseuren, darunter Peter Lilienthal, Wolfgang Petersen, Volker Schlöndorff, Robert Redford, Paul Newman, John Sayles, Francis Ford Coppola, Barry Levinson, mehrmals für Mike Nichols und allen voran, weil inspirierend, produktiv und intensiv, mit Rainer Werner Fassbinder und Martin Scorsese, zwei vom Film Besessene, wie er sich ausdrückte, wohl wissend, dass mit ihnen Besonderes entstehen würde.
Michael Ballhaus (1935–2017) war einer der bedeutendsten Directors of Photography. Er stand fast 50 Jahre hinter der Kamera und hat 80 Kinofilme gedreht, davon über 30 in Hollywood. In eine Künstlerfamilie in Berlin geboren, wuchs er dort bis zu seinem siebten Lebensjahr auf und dann im fränkischen Coburg und Wetzhausen, wo seine Eltern ab 1948 das „Fränkische Theater“ führten. Nach einer Fotografenlehre arbeitete er als Kameramann beim Südwestfunk in Baden-Baden, entschied sich aber gegen den sicheren Arbeitsplatz und für einen eigenen Weg, der ihn als freier Kameramann wieder nach Berlin und später nach Hollywood führen sollte. Als Fassbinder 1982 starb, war Michael Ballhaus bereits in Amerika.
Ein frühes prägendes Erlebnis war ein Besuch am Set von Max Ophüls' LOLA MONTEZ (1955), das dazu führte, dass Michael Ballhaus Kameramann werden wollte. Er wurde es und blieb es das ganze Leben lang. Als passionierter Kinogänger lernte er das europäische Kino kennen und schätzen, zeigte er sich begeistert und inspiriert von Ophüls' Stil, den fließenden und schwebenden Bewegungen der Kamera, die auch sein Markenzeichen werden sollten. Er verehrte Sven Nykvist, Stammkameramann Ingmar Bergmans, „von dem man, besser als von allen anderen, lernen konnte, wie man Gesichter so fotografiert, dass sie eine Tiefe und ein Geheimnis haben.“ Michael Ballhaus war Profi, schnell, effizient und sehr begabt. Das sprach sich auch in den USA herum, seiner dritten Heimat, in der er von 1982 bis 2006 arbeitete und in New York und Los Angeles lebte. Der Kosmopolit mit der sanften Stimme und dem gütigen Blick war lange Zeit einer der besten Kameramänner der Welt, er war Dozent an den Filmhochschulen in Hamburg, München, Ludwigsburg und Berlin, er engagierte sich für den Klimaschutz und übernahm 2011 die Schirmherrschaft des Internationalen Nürnberger Filmfestivals der Menschenrechte. 2014 zog sich Ballhaus nach rund 130 Kino- und Fernsehfilmen aus der Filmbranche zurück und machte publik, dass er seit einigen Jahren am Grünen Star leide. Ausgerechnet ihm, dem Augenmenschen, schwand seine Sehfähigkeit.
Uns bleiben nach seinem Tod im April 2017 seine bewegten und bewegenden Bilder, die das Filmhaus im September 2017 auf die Leinwand zurückbrachte. In einer Hommage, die ausgewiesene Lieblingsfilme von Michael Ballhaus umfasst. Ganz besonders freuten wir uns, dass wir zum Auftakt der Reihe Michael und Ulla Ballhaus' Reverenz an ihre Heimat UNSER FRANKEN (2006) im Beisein seiner Schwester präsentieren konnten. Frau Ballhaus gilt unser herzlicher Dank.
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