Hommage an Andrzej Wajda
Andrzej Wajda (1926 – 2016) gilt als der bedeutendste Regisseur Polens, Chronist seines Landes und moralische Instanz. Sein Gesamtwerk, das auch die Entwicklung des Films weit über Polen hinaus nachhaltig beeinflusst hat,verschmilzt in einer überzeugenden künstlerischen Form persönliche Biografie, literarisches Erbe und historische Erfahrung. Seine tragischen und ambivalenten Protagonisten siedelt er an historischen oder gesellschaftlichen Kristallisationspunkten an, als Folie für innere, existentialistische Vorgänge, die die Filme zeitlos machen, die zum Zeitpunkt ihrer Entstehung aber unmittelbar auf die Gesellschaft zurückwirken sollten: Wajda war überzeugt, dass Kunst eine gesellschaftliche Funktion übernehmen müsse. Die damalige Wirklichkeit im sozialistischen Polen hat er nicht akzeptiert und versucht, dies in seinen Filmen auszudrücken.
Andrzej Wajda wurde als Sohn eines Berufsoffiziers und einer Lehrerin in Suwalki in Nordostpolen geboren. Zur Zeit der Besetzung im 2. Weltkrieg schloss er sich der Polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa) an und arbeitete unter anderem als Restaurateur. Nach dem Studium der Schönen Künste in Krakau wechselte er an die Filmhochschule in ?ód?, die er 1953 absolvierte. Gleich seine ersten drei Filme EINE GENERATION (1955), DER KANAL (1957) und ASCHE UND DIAMANT (1958) sollten seinen Ruhm begründen.
Mit der Trilogie, die eine Art kollektive Biografie der polnischen Generation während der Okkupation im 2. Weltkrieg bildet, schrieb er sich bereits früh in die Filmgeschichte ein. Eine neue Qualität bekam Wajdas Kino mit dem Auftritt von Zbigniew Cybulski als tragische Figur einer verlorenen Generation in ASCHE UND DIAMANT. Cybulski, der „polnische James Dean“, wurde mit dieser Rolle zum Inbild einer ganzen Generation. Auch stilistisch erreichte Andrzej Wajda eine neue Dimension, den Neorealismus reinterpretierend entwickelte er mit dramatischen (Licht)Effekten und bildstarken Symbolen einen visuellen Reichtum.
In den Jahrzehnten danach ist Wajdas Werk weniger geradlinig. Großangelegte Tableaus historischer Krisen, wie das mehr als vierstündige Epos LEGIONÄRE (1965) stehen neben autobiografisch gefärbten Betrachtungen jüngerer Geschichte, stillere, kammerspielartige Reflexionen neben scharfen, zeitgenössischen Bestandsaufnahmen. DIE UNSCHULDIGEN ZAUBERER (1960), ein Film im Rhythmus des Jazz, ist ein zentrales Werk der Polnischen Neuen Welle, die Wajda entscheidend mitgeprägt hat. ALLES ZU VERKAUFEN (1967), Wajdas ACHTEINHALB (1963), gerann als Reaktion auf den tödlichen Unfall von Zbigniew Cybulski zu einer Auseinandersetzung mit den Beziehungen zwischen Leben und Kino. 1977 entstand DER MANN AUS MARMOR über das Schicksal eines gefallenen Arbeiterhelden, eine komplexe Kritik am stalinistischen System in Polen. DER MANN AUS EISEN arbeitete 1981 mutig die Geschichte der Streiks auf der Danziger Werft und das Ringen um freie Gewerkschaften auf. Dazwischen entstanden immer wieder Adaptionen bedeutender polnischer Literatur, wie die 1980 für den Oscar nominierten DIE MÄDCHEN VON WILKO (1979). Zwischen der Verhängung des Kriegsrechts 1981 und dem Ende des sozialistischen Regimes 1989 wurde Andrzej Wajda in Polen mit einem Berufsverbot belegt. Er erhielt Aufträge in der Bundesrepublik und Frankreich, wo er unter anderem das Revolutionsdrama DANTON (1983) realisierte. 1990 porträtierte er den Arzt und Pädagogen Janusz Korczak, der mit seinen Kindern des Waisenhauses im Warschauer Ghetto in deutschen Vernichtungslagern ermordet wurde. Mit KATYN (2007) setzte Wajda tausenden polnischen Kriegsgefangenen – darunter seinem Vater –, die 1940 vom sowjetischen Geheimdienst erschossen worden waren, ein Denkmal.
Andrzej Wajdas Kino bleibt ein Erfahrungsschatz, der immer neu zu heben sein wird. Das Filmhaus präsentierte aus seinem umfangreichen Schaffen aus sechs Jahrzehnten eine Auswahl der wichtigsten Werke mit restaurierten und ungekürzten Kopien in der polnischen Originalfassung mit Untertiteln.
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