Bei halt bitte nicht benutzen!

von Benjamin Stieglmaier - 7.6.2024

Nürnberg - Das DB Museum wagt einen Blick über den Toilettenrand: Mit rund 150 Exponaten, Dokumenten und Fotografien erzählt die Sonderausstellung Unter Druck in acht Themenbereichen bis Mai nächsten Jahres die Geschichte der Zugtoilette von den Anfängen bis heute.

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Über hundert Jahre funktionierten die Zugtoiletten mittels Fallrohr. © DB Museum

Als in Deutschland 1835 die erste Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet wurde, dachte wohl kaum jemand an Zugtoiletten. Wie in den Postkutschen waren diese nicht vorgesehen. Wer sich während einer Bahnfahrt erleichtern musste, wartete auf den nächsten, ausreichend langen Halt des Zuges oder behalf sich notgedrungen auf unkonventionelle Weise. Da konnte auch schon mal ein Stiefel das Mittel der Wahl sein.

Adelige hingegen mussten sich zumindest um dieses Geschäft keine Gedanken machen: In ihren Salonwagen waren sie die ersten Bahnreisenden mit Toilette, wie die Ausstellung anhand zahlreicher Objekte zeigt: vom Nachttopf bis hin zum mobilen Toilettensitz. Schließlich mehrten sich die Forderungen nach „Abtritten“ auch in den Zügen der weniger gehobenen Klassen, und viele Bahnverwaltungen führten mit einem „Abort“ ausgestattete Gepäckwagen ein. Die erfreuten sich jedoch nicht allzu großer Beliebtheit, da meist nur bei Halt in diese gar nicht stillen Örtchen umgestiegen werden konnte.

Aus Kostengründen scheuten sich die Bahnverwaltungen zunächst, Toiletten direkt in die Personenwagen einzubauen, kosteten diese doch wertvolle Sitzplätze. Dennoch dauerte es nicht mehr lange, bis auch die ersten Personenwagen mit einem Abort ausgestattet wurden. Der befand sich allerdings noch zwischen zwei Abteilen oder war von außen zugänglich.

Reisende mieden diese Toiletten aus Schamgefühl, da sie nur unter Erregung der Aufmerksamkeit anderer aufgesucht werden konnten. Ein neuer Wagentyp – der Durchgangswagen – sollte die Scham beim Toilettengang überwinden helfen, und es etablierte sich als gängiges System das WC mit Fallrohr.

Bis Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Eisenbahn nicht nur eine Lösung für das eigene Fäkalienproblem gefunden, sondern half auch in den Städten aus: Vor Einführung der Kanalisationen transportierte sie mit speziellen Fäkalien-Transportwagen die menschlichen Ausscheidungen zur Düngemittelverarbeitung aufs Land.

Die Fallrohrtoilette aber – das „Plumpsklo“ der Bahn – spülte die Fäkalien einfach auf die Gleise, darum war ihre Benutzung bei Halt am Bahnhof untersagt. Die in die Umwelt austretenden Abfälle waren dabei nicht immer unumstritten: Mit der Cholera-Epidemie meldeten sich erstmals Kritiker zu Wort.

Etwa einhundert Jahre später ergaben Untersuchungen zwar keine Gesundheitsrisiken, jedoch galten die offenen Toiletten als nicht mehr zeitgemäß und Menschen, die in der Umgebung von Bahndämmen wohnten, fühlten sich durch die Verschmutzungen aus den offenen WCs belästigt. Für Schlagzeilen sorgte so die Eisenbahnbrücke Hochdonn zu Beginn der 1990er Jahre: In einer Wohnsiedlung nahe der Brücke sammelten sich die Abfälle aus den Fallrohrtoi-letten der Züge.

Eine Privatklage führte schließlich zur Einführung geschlossener Toiletten auf dieser Strecke – verbunden mit hohen Kosten, die den Einbau der Vakuumtoiletten schon einmal in den 1970er Jahren verhindert hatten. Deren Siegeszug folgte erst mit der Entwicklung des ICE ab dem Jahr 1985. Der Hochgeschwindigkeitsverkehr und damit verbundene Druckbelastungen ließen kein offenes Toilettensystem mehr zu, hätte es doch beim Fallrohr während schneller Tunnelfahrten zu einer Richtungsumkehr der eigentlich nach unten austretenden Fäkalien kommen können.

der Nachttopf aus Otto von Bismarcks Salonwagen © UWE NIKLAS

DB Museum
Lessingstraße 6
90443 Nürnberg
Öffnungszeiten: Di – Fr 9 – 17 Uhr, Sa, So 10 – 18 Uhr
Telefon: 0800 32 68 73 86
dbmuseum.de

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