Blick in den Hof, 1925
Öl auf Leinwand, 57,4 x 50,4 cm
Provenienz / Zugang: Ankauf vom Künstler, 1925

Wie Andreas Bach (1886 – 1963) absolvierte auch der 1888 in Nürnberg geborene Künstler Hans Werthner im Anschluss an eine dreijährige Ausbildung an der Nürnberger Kunstgewerbeschule die Münchener Kunstakademie bei Angelo Jank. Ab 1921 war Werthner zunächst als Hilfslehrer an der 1928 in Staatsschule für Angewandte Kunst umbenannten Nürnberger Kunstgewerbeschule tätig, bevor er von 1928 bis 1945 die Grundklasse und die Klasse für Aktzeichnen betreute. Im Dürer-Jahr 1928 wurde er im Rahmen der Ausstellung „Nürnberger Kunst der Gegenwart“ in seiner Heimatstadt gewürdigt und zugleich neben Künstlern wie Max Beckmann (1884 – 1950), Otto Dix (1891 – 1969) und Oskar Kokoschka (1886 – 1980) in der großen Überblicksausstellung „Deutsche Kunst“ im Düsseldorfer Kunstpalast gezeigt. Seine Zeitgenossen würdigten Werthner vor allem als Landschaftsmaler, daneben entstanden Bilder von Eisen- und anderen Industriewerken. Unverwechselbar sind bis heute jedoch seine Bildnisse der Nürnberger Kunst- und Kulturszene. Werthners bekanntestes und häufig reproduziertes Werk ist ein Bildnis des Arbeiterdichters Karl Bröger (1886 – 1944), den er halbfigurig vor der Silhouette des industrialisierten Nürnberg porträtierte. Werthner zeigt sich auch in seinen Stadtansichten als Maler der Gegenwart. Stilistisch stand er nach impressionistischen Anfängen der Neuen Sachlichkeit nahe, deren Vertreter sich ebenfalls aufmerksam gegenüber sozialen Veränderungen äußerten.

Werthners 1925 entstandenes Gemälde „Blick in den Hof“ dokumentiert ein Stück Alltagskultur in der Weimarer Republik. Zum Symbol der Genügsamkeit wird ein im Vordergrund abgebildeter Kaktus. Wohl im Hinterhof seiner damaligen Mietswohnung in der Äußeren Sulzbacher Straße hängt die Wäsche zum Trocknen und springen Mädchen Seil, während ihre Mütter auf den Balkonen hantieren und die Hühner am Boden scharren.

Dr. Andrea Dippel